Gegen die «Vergiftung der Köpfe und

Der Bund

Herzen»

Deutschland / Das Innenministerium hat gestern dieSkinhead-Vereinigung Blood & Honour verboten.

Peter Voegeli, Berlin

Überraschend hat der deutsche Innenminister Otto Schily (spd)gestern die rechtsextreme Skinhead-Gruppierung Blood & Honoursowie ihre Jugendorganisation White Youth in Deutschland verboten.Am Donnerstagmorgen hat die Polizei dreissig Objekte durchsucht undunter anderem Sparbücher mit Guthaben in fünfstelliger Höhebeschlagnahmt. Schily zeigte sich überzeugt, dass der Entscheideinen Einfluss auf ein allfälliges Verbot der NationaldemokratischenPartei Deutschlands (NPD) haben werde. Ein solches Verbot müssteallerdings hohe verfassungsrechtliche Hürden passieren, bei Blood &Honour war das Vereinsgesetz relevant.

Es gehe darum, der «Vergiftung der Köpfe und der Herzen» vonJugendlichen entgegenzutreten, sagte Schily. Obwohl die verbotenenGruppen in Deutschland nur 300 Mitglieder haben, stufte sie Schily als«einflussreiche» Organisationen ein. Blood & Honour ist der wichtigsteOrganisator von Skinhead-Konzerten, die laut Schily den Einstieg indie rechtsextreme Szene «in vielen Fällen entscheidend fördert».

Offenbar deutlich mehr Opfer
Die Zahl der Leute, die Anschlägen von rechtsextremer Seite zumOpfer gefallen sind, ist offenbar viel höher als in den offiziellenStatistiken bisher ausgewiesen. Der Berliner «Tagesspiegel» und die«Frankfurter Rundschau» haben gestern die Namen von 93 Menschenaufgelistet, die seit der deutschen Wiedervereinigung getötet wordensind; die Bundesregierung weist nur 26 Opfer aus. InnenministerSchily hat eine Projektgruppe mit der Untersuchung beauftragt. Der«Tagesspiegel» nannte «unpassende Fachbegriffe oder Überforderungder Polizeibeamten bei der Bewertung» als Gründe für die Differenzund zitiert einen Experten des Innenministeriums, der speziell inOstdeutschland eine (auch statistische) Verdrängung desRechtsextremismus beobachtet haben will.

Zwei Beispiele für mangelnde Sensibilität der Behörden in Brandenburgschildert die «Berliner Zeitung». Einem Ägypter wurde dieAufenthaltsgenehmigung entzogen, nachdem seine Pizzeria bei einemungeklärten Brandanschlag ausgebrannt war. Die Begründung: DerMann könne nun keine Leute mehr beschäftigen. Ein Asylbewerber,dessen Freund in Guben zu Tode gehetzt wurde, soll abgeschobenwerden, weil er wegen dieses «traumatischen Ereignisses» nur«bedingt in der Lage sei, sein Leben eigenständig zu meistern», zitiertdie «Berliner Zeitung» das Brandenburger Innenministerium.

Mit dem Verbot von Blood & Honour hat die Bundesregierungdemonstriert, dass sie ernsthaft gegen Rechtsextremismus vorgeht.Und mit dem harten Urteil gegen die Mörder eines Mosambikers inDessau hat die Justiz Ende August einen Paradigmenwechselvollzogen. Das Gericht sprach von «Mord» und nicht von«Körperverletzung mit Todesfolge» und anerkannte damit offiziell,dass aus Rassismus getötet wird.