Lange Haare statt Glatzen

NeueLuzernerZeitung

Sieben Jahre nach der «Schande vom Rütli» soll die historische Wiese am 1. August fest in Frauenhand bleiben. Die Rechtsextremen versuchens dennoch.

VON EVA NOVAK, BERN

Die Rechtsextremen hielten die Rütliwiese für «heilig», sagt Danièle Bersier, die Sprecherin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol). Dass ihnen ausgerechnet am Nationalfeiertag der Zutritt zu diesem Heiligtum verwehrt werde, störe diese denn auch ungeachtet der Tatsache, dass da heuer eine eigentliche Frauenfeier abgehalten werden soll.

Rechtsextreme lancieren Aufruf

Auch in diesem Jahr möchten die Rechtsradikalen wieder auf der Rütliwiese aufmarschieren, obwohl die 2000 Tickets, die grösstenteils via Frauenorganisationen vergeben wurden, kaum in ihre Hände gelangt sind. Auf ihrer Homepage ruft die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) dazu auf, «an den Feierlichkeiten zum 1. August auf dem Rütli auch unter diesen

widrigen Umständen teilzunehmen». Schliesslich wolle man «nicht wieder kapitulieren vor dieser unterdrückerischen Übermacht des Systems».

Vor Wochenfrist wurde im solothurnischen Welschenrohr darüber hinaus ein eigener weiblicher Kampfbund gegründet wurde. Die Pnos-Frauen wollen dem Vernehmen nach versuchen, zusammen mit deutschen Gesinnungsgenossinnen aufs Rütli zu gelangen. Allerdings bestreitet dies eines der Gründungsmitglieder gegenüber unserer Zeitung.

Keine Befürchtungen wegen Pnos

Wie dem auch sei: Die Rütlikommission nimmts gelassen. Ihr Sprecher Martin Hofer versichert, dass die Deutschen keine Tickets hätten. Er könne zwar nicht ausschliessen, dass sich einige Schweizer Pnos-Frauen eine Eintrittskarte beschafft hätten, aber: «Sie werden die Feier nicht stören können, selbst wenn sie von ein paar Skinheads begleitet werden sollten.» Die Wahrscheinlichkeit, dass Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey und Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi niedergeschrien werden, scheint somit gering.

Villiger war der Erste

Den männlichen Festrednern auf der historischen Urner Wiese war dieses Glück in den vergangenen Jahren nicht immer beschieden. Als Erstes traf es den damaligen Luzerner Bundesrat Kaspar Villiger. Rund 100 Rechtsradikale pfiffen am 1. August 2000 den Freisinnigen aus und skandierten Kampfparolen. «Ich wäre froh, wenn Sie mich ausreden lassen würden», versuchte dieser entgegenzuhalten. Seine Worte gingen im Gebrüll unter, und die damalige Bundesfeier ging als «Schande vom Rütli» in die Annalen ein.

In den folgenden Jahren zog es am Nationalfeiertag zwar immer mehr Rechtsextreme in die Zentralschweiz. Doch konnten die meisten Festredner ihre Ansprache ohne grössere Störungen abhalten, unter ihnen der Urner Nationalrat Franz Steinegger, sein Nidwaldner Amtskollege Edi Engelberger, der Schwyzer Ständerat Bruno Frick und alt Nationalrätin Judith Stamm, die Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, welcher die Rütliwiese gehört.

2005 allerdings kam es zum Eklat: Rund 600 zumeist glatzköpfige Rechtsextreme buhten den damaligen Bundespräsidenten Samuel Schmid aus und beschimpften ihn dergestalt, dass sich das Bundesratskollegium gezwungen sah, den Neonazi-Aufmarsch als «unseres Landes unwürdig» zu verurteilen. Zu dem Umstand, dass der braune Tross nach der Rütlifeier grölend und ausländerfeindliche Parolen skandierend durch Brunnen marschierte, gabs keinen Kommentar aus Bern.

Gutes Omen für Mittwoch

Seitdem ist es ruhig geblieben ­ auch im vergangenen Jahr, als der ehemalige Swisscom-Verwaltungsrat Markus Rauh ungestört für die EU und gegen das Asyl- und Ausländergesetz Stimmung machte, das bald darauf vom Volk angenommen wurde. Für die Feier vom kommenden Mittwoch ist das ein gutes Omen.

Auch wenn Fedpol-Sprecherin Bersier realistischerweise darauf hinweist, dass die «Eigendynamik der Aktionen erfahrungsgemäss nicht plan- und voraussehbar ist».

Umfrage

Schweizer finden Rütlifeier wichtig

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer findet es gemäss einer Umfrage wichtig, dass am 1. August eine Feier auf dem Rütli organisiert wird.

Dies führt eine Erhebung des Berner Forschungsinstituts CBC zu Tage. 59 Prozent von 1000 Befragten erachten demnach die Rütlifeier als wichtig. Für 38 Prozent ist die Feier nicht wichtig.

Öffentliche Hand soll bezahlen

62 Prozent der Befragten sprachen sich zudem dafür aus, dass die Feier in Zukunft von der öffentlichen Hand finanziert wird. 33 Prozent hingegen möchten Private die Feierlichkeiten am 1. August zahlen lassen. Die Umfrage wurde in der vergangenen Woche durchgeführt.