Zuchthaus für rechte Schläger

St. Galler Tagblatt

Den Überfall auf zwei Besucher eines Ska-Punk-Konzerts bezahlen die Täter mit mehreren Jahren Zuchthaus

Felben. Eine Gruppe Rechtsextremer schlug 2003 in Frauenfeld zwei Jugendliche spitalreif. Das Bezirksgericht Frauenfeld bestraft sie mit Zuchthaus zwischen vier und fünfeinhalb Jahren.

Thomas Wunderlin

Vor über 100 Zuschauern hat das Bezirksgericht Frauenfeld gestern Nachmittag im Gemeindesaal von Felben das Urteil gegen sechs rechtsextreme Skinheads verkündet. Die 20- bis 25-jährigen Angeklagten aus dem Züribiet erschienen mehrheitlich in schwarzen Hemden. Am 26. April 2003 hatten sie beim Frauenfelder Bahnhof zwei Besucher eines Ska-Punk-Konzerts zusammengeschlagen. Ein Opfer, der heute 18-jährige Dominik B., trug aufgrund einer Hirnverletzung eine bleibende Behinderung davon. Er erschien zusammen mit seiner Mutter. Der Vizegerichtspräsident attestierte ihnen, durch ihren Auftritt in der Fernsehsendung «Quer» hätten sie den sonst anonymen Gewaltopfern «ein Gesicht gegeben».

Die Angreifer erhalten zwischen vier und fünfeinhalb Jahren Zuchthaus. Die Urteile liegen rund ein halbes Jahr unter den Anträgen des Staatsanwalts.

Fünf Angeklagte hatten eine bedingte Gefängnisstrafe beantragt. Fast alle haben eine bedingte Vorstrafe, die sie nun ebenfalls absitzen müssen. Unter solidarischer Haftung müssen sie den Opfern rund 160 000 Franken Genugtuung leisten. Dazu kommen noch nicht bestimm-bare Schadenersatzforderungen von Dominik B. sowie Gerichts- und Verfahrensgebühren von je rund 30 000 Franken. In einer ersten Reaktion zeigte sich der Staatsanwalt zufrieden. Eine allfällige Berufung machte er auch davon abhängig, ob die Verurteilten den Fall weiterziehen. Die Skinheads reagierten nicht auf Medien-Fragen.

Kein Tötungsversuch

Einleitend hatte der Richter betont, trotz des öffentlichen Drucks nach harter Bestrafung müsse das Gericht das Verschulden im Einzelfall gewichten. Im Gegensatz zur Anklage wertete es die Tat nicht als Tötungsversuch. Das Ziel der Täter sei es gewesen, «beide Opfer bis zur Regungslosigkeit zusammenzuschlagen». Es handle sich deshalb um schwere Körperverletzung. Dies gelte auch für das zweite Opfer, Stefan B., der keine bleibende körperliche Behinderung erlitt. Nur in einem Fall wich das Gericht wesentlich vom Antrag des Staatsanwalts ab. Der 22-jährige Automonteur S. erhält vier statt sechs Jahre Zuchthaus. Er selber wollte einen Freispruch, den ihm das Gericht nur in einem Nebenpunkt gewährte; dabei ging es um die Mittäterschaft an einer Schlägerei in Rorbas vom Juni 2002. Beim Hauptanklagepunkt wurde er jedoch schuldig gesprochen. Es konnte ihm zwar nicht nachgewiesen werden, dass er selber geschlagen oder getreten hatte.

Wie das Gericht darlegte, hatten die Angeklagten gemeinsam beschlossen, nach Frauenfeld zu fahren, um «Linke» zu verprügeln. Damit müsse sich jeder etwas von dem anrechnen lassen, was die andern taten. Keiner habe in einem Exzess gehandelt, der über das gemeinsam Geplante hinausging. Damit widersprach Fuchs auch der These eines Verteidigers, der als Hauptschuldigen den siebten Angreifer hinstellte, der sich in der Untersuchungshaft das Leben nahm. Nur bei L., einem 20-jährigen Logistikmitarbeiter, ist laut Fuchs etwas wie Reue greifbar.

Der einzige Ärger

Die höchste Strafe von fünfeinhalb Jahren erhielt der 25-jährige H., der Mitglied der Neonazi-Gruppierung «Blood and Honour» ist. Laut dem Gericht taucht H. seit 1999 wegen Raufhandel, Landfriedensbruch und Verbreitung rassistischer Ideologien in den Polizeiakten auf. «Er glaubt das Recht zu haben, Andersdenkende zusammenzuschlagen.» Bei der Tat vom April 2003 sei er der Initiator gewesen. Er bereue sie nicht, sondern ärgere sich nur, weil die beiden Opfer so jung waren. So könne die Tat nicht als Ruhmesblatt gelten.

Kommentar

Die Gefahr besteht weiter

Bei der Urteilsverkündung gegen die sechs rechtsextremen Schläger von Frauenfeld erinnerte der Richter an das Nachspiel ihrer Gewaltattacke. Auf dem Platz Frauenfeld war es zu einer Eskalation zwischen Aktivisten vom linken und rechten politischen Rand gekommen. Ausdrücklich prangerte der Richter die linke Demo gegen Gewalt an. Auch dabei sei es nicht ohne Gewalt abgegangen.

Das stimmt zwar, und es ist zu verurteilen. Aber was hat es mit dem aktuellen Fall zu tun? Der Hinweis klang wie eine Entschuldigung der Täter. Dabei hatten sie, wie der Richter selber betonte, ihre beiden harmlosen Opfer nie zuvor gesehen.

Dennoch hat die Gerechtigkeit gesiegt. Sechs Angehörige der rechtsextremen Szene werden mit Zuchthaus bestraft und für einige Jahre aus dem Verkehr gezogen. Ruhe kehrt damit allerdings nicht ein. Denn in der rechten Szene gibt es rund 994 weitere Mitglieder, die nach Einschätzung der Bundespolizei ebenso gewaltbereit sind.