Zoff unter Richtern – Swisscoy-Offizier bleibt trotz Hitlergruss bis heute straffrei

Watson.

Nach vier Jahren noch immer keine Einigung: Richter streiten sich darüber, ob ein Thurgauer Leutnant mit Nazigesten gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen habe oder nicht. Nun wird eine Verschärfung des entsprechenden Gesetzes gefordert.

Worum geht’s?

Der 28-jährige Swisscoy-Offizier M. N aus dem Thurgau leistete im Kosovo Dienst. An einem Abend am 4. November 2017 betrat er die Brandhüsli Bar im Feldlager Prizren. Gemeinsam feierte er mit Soldaten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Schlagerparty. Er war betrunken.

Plötzlich hob er dann seinen Arm zum Hitlergruss und schrie zum Entsetzen der Anwesenden: «Heil Hitler!» und «Sieg Heil!». Er wurde daraufhin aufgefordert, die Bar sofort zu verlassen. Als Reaktion darauf schlug N. dem Bar-Angestellten mit dem Handrücken ins Gesicht.

Der Freispruch

Für die Militärjustiz war der Fall eigentlich klar, schreibt der Sonntagsblick. Der Offizier war bereits in der Vergangenheit durch rechtsextreme Ausfälle aufgefallen. So grüsste er beispielsweise einen Hochdeutsch sprechenden Fourier seiner Truppe mit «Sieg Heil». Des weiteren nannte er ihn wiederholt «Obersturmfourier», womit er auf die SS-Obersturmführer, Offiziere in Hitlers Schutzstaffel, anspielte.

So klagte die Militärjustiz den Thurgauer Offizier wegen Rassendiskriminierung an. Vom Militärgericht St.Gallen wurde er allerdings nur wegen Trunkenheit verurteilt – im Punkt der Rassendiskriminierung wurde er freigesprochen. Das militärische Appellationsgericht stützte das Urteil ein Jahr später. Den Entscheid begründeten sie damit, dass nicht klar gewesen sei, ob der Offizier mit Nazigesten Dritte «beeinflussen wollte».

Besonderheit im Gesetz

Die Schweizer Rechtsprechung macht das Verbot vom Hitlergruss vom Kontext abhängig. Hierzulande ist er der Gruss nur dann verboten, wenn damit für den Nationalsozialismus geworben wird. Wird der Hitlergruss verwendet, um damit die eigene Gesinnung zu zeigen, ist dies nicht strafbar. Ihr Urteil haben die Richter also basierend auf diesem Entscheid des Bundesgerichts gefällt.

Entscheid vom Kassationsgericht

Das Urteil wurde von den Anklägern der Armee weitergezogen. Sie traten damit vor das Militärkassationsgericht: die oberste Rechtsinstanz im Land.

Dort versuchten sie aufzuzeigen, dass der Offizier den Hitlergruss bewusst und öffentlich gemacht habe. Zudem habe er «mit dem direkten Ziel gehandelt, im Moment der Äusserung bzw. der Geste die rassendiskriminierende Ideologie zu vermitteln und die Zustimmung oder Anerkennung der Anwesenden zu erheischen und damit in einem werbenden Sinne zu beeinflussen».

Mit Erfolg: Vier Jahre später gab das Kassationsgericht den Strafverfolgern der Armee recht, schreibt der Sonntagsblick weiter. Es kam zum Schluss, dass der Tatbestand der Rassendiskriminierung erfüllt sei. Der Fall geht damit zurück an die Vorinstanz und wird am 26. November erneut am Appellationsgericht verhandelt.

Ergänzung des Strafgesetzes

Der Fall verdeutlicht, wie schwierig sich die Gesetzes-Anwendung in Realität gestaltet. Die Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter will in der kommenden Session eine parteiübergreifende parlamentarische Initiative einreichen. Gemäss Sonntagsblick, dem der Entwurf vorliegt, soll das Strafgesetz dahingehend ergänzt werden, dass die öffentliche Verwendung nationalsozialistischer Parolen und Grussformen mit Busse bestraft wird. Auch dann, wenn sie ohne Werbecharakter gezeigt werden. Ausgenommen wäre die Verwendung im Rahmen von kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken.

Des weiteren wollen Suter und ihre Ratskolleginnen- und Kollegen sämtliche rassendiskriminierende Zeichen und Gesten verbieten. «Wenn wir solche Symbole dulden, tolerieren wir damit auch die dahinterstehende rassistische Ideologie», wird sie vom Sonntagsblick zitiert. Aus diesem Grund müssten diese in jedem Fall verboten werden.

Schwer durchsetzbare Initiative

Es dürfte schwer sein, die Initiative im Parlament durchzubringen. Ein generelles Verbot könnte neue Anwendungsschwierigkeiten mit sich bringen, befürchten Kritiker. Insbesondere die Definition der strafbaren Symbole dürfte Schwierigkeiten bereiten.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Initiative für ein Verbot rassistischer Symbole gestartet wurde. 2009 hat der Bundesrat gar eine Vernehmlassung für eine entsprechende Gesetzesänderung durchgeführt, berichtet der Sonntagsblick. Seine Vorschläge fanden jedoch kein Gehör und fielen mehrheitlich durch. (saw)