«Wir verlangen Namen und Adresse»

Neue Luzerner Zeitung

Judith Stamm präsidiert die Rütlikommission, die für die Rütlifeier verantwortlich ist.

Sie wehrt sich gegen die Kritik an ihren Ideen.

An der Rütlifeier wird die Platzzahl beschränkt. Damit will Judith Stamm dieses Jahr Pöbeleien Rechtsextremer verhindern.interview Von Isabel Drews, Bern

Wer am 1. August an die Bundesfeier auf dem Rütli will, muss sich künftig um eine Eintrittskarte bemühen. Lässt sich damit eine Störung durch Rechtsextreme dieses Jahr verhindern?

Judith Stamm: Das ist unser festes Ziel. Deshalb wollen wir für das breite Publikum die Zahl der Zugangsberechtigungen beschränken ­ auf wie viele ist allerdings noch unklar. Wir rechnen mit etwa 2000 Karten, die wir selbstverständlich gratis abgeben werden. Darunter fallen auch die Besucher, die jedes Jahr aufs Rütli kommen, wie Politiker, Vertreter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, welche die Bundesfeier organisiert, sowie am Programm Beteiligte.

Über welche Kanäle wollen Sie die Gratistickets verteilen?

Stamm: Vorläufig gehen wir davon aus, dass wir die Karten übers Internet vergeben werden. Da aber nicht alle Leute Zugang zum Netz haben, müssen wir mindestens einen zweiten Kanal offen halten. Welcher genau, ist noch unklar ­ eher nicht der Ticketcorner.

Wird die Abgabe einer Karte an bestimmte Auflagen geknüpft?

Stamm: Auch das wissen wir noch nicht. Vermutlich werden wir ähnlich vorgehen, wie wenn man ein Theaterbillett übers Internet bestellt. Sicher verlangen werden wir den Namen und die Adresse.

Gerade im Internet ist es besonders schwierig, zu überprüfen, wer hinter einer Bestellung steckt.

Stamm: Auch im Internet gibt es Formulare. Ich werde also einen Überblick haben, wer sich anmeldet.

Aber wie wollen Sie ohne Identifikation erkennen, dass hinter Hansli Meier aus Luzern ein militanter Skinhead steckt?

Stamm: Wir haben immer gesagt, dass wir keine organisierten Rechtsradikalen auf dem Rütli wollen. Sie sind verantwortlich für die Störungen der letzten Jahre. Hingegen haben wir nie behauptet, dass uns kein einziger mit einer rechtsradikalen Gesinnung aufs Rütli kommt. Wir wollen schliesslich keine durchleuchteten Bürger.

Haben Sie sich von Fachleuten, die die Szene kennen, beraten lassen?

Stamm: Ich muss mich nicht über die minimalen Anstandsregeln beraten lassen. Der 1. August auf dem Rütli ist eine offizielle Feier. In der Schweiz weiss jeder, wie man sich an einer offiziellen Feier verhält.

Die Pöbeleien der letzten Jahre haben das Gegenteil bewiesen. Hinzu kommt, dass der Zugang zur Rütliwiese offen ist. Wer will, kann auch ohne Ticket zur Wiese gelangen.

Stamm: Die Polizei erarbeitet ein Sicherheitskonzept.

Der Luzerner Hans Stutz, der die Rechtsextremenszene seit Jahren beobachtet, kritisiert Ihre Vorschläge als naiv.

Stamm: Schon letztes Jahr hat er gesagt, wir seien naiv. Ich würde sagen, dass man Vorschläge, die noch nicht im Detail ausgearbeitet sind, nicht im Voraus kritisieren sollte.

Wieso haben Sie nicht gewartet, bis auch die Details geregelt sind?

Stamm: Ich war in einem Dilem-ma: Nach der letztjährigen Feierhabe ich versprochen, dass ich unsere neuen Massnahmen Anfang 2006 vorstellen werde. Doch der Teufel sitzt bekanntlich im Detail. Rasch haben wir realisiert, dass wir mehr Zeit benötigen. Deshalb geben wir nun die Eckwerte bekannt, am 20. April werden wir das gesamte Konzept präsentieren.

Linke wollen 2006 eine Demo in Brunnen

Nur mit Billett aufs Rütli: Können so Störungen durch Rechts-extreme vermieden werden?

Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Rechtsextremen durch Brunnen marschierten, fand am 1. August 2005 in Luzern eine Demonstration mit 800 Teilnehmern statt. Zu der bewilligten Demo hatte das antifaschistische Bündnis für ein buntes Brunnen aufgerufen. Das Bündnis wollte die Kundgebung ursprünglich in Brunnen durchführen, erhielt dort aber keine Bewilligung. Der Gemeinderat von Ingenbohl befürchtete Konfrontationen zwischen rechten und linken Gruppen.

Gespräche mit der Gemeinde

Das Bündnis für ein buntes Brunnen versucht nun, für 2006 eine Bewilligung zu erhalten. «Es ist nicht tolerierbar, dass unser Gesuch abgelehnt wird, während man den Durchmarsch der Neonazis stillschweigend duldet», sagt Daniele Jenni vom Bündnis. Im Dezember traf er mit dem Ingenbohler Gemeindepräsidenten Urs Koller zusammen. Obwohl beide Seiten betonten, die Gespräche seien in freundschaftlicher Atmosphäre abgelaufen, wurde keine Einigung erzielt. Urs Koller erklärte damals, man wolle erst entscheiden, wenn das Konzept der Rütlikommission für die Bundesfeier 2006 feststehe. Der Entscheid, künftig Eintrittskarten zu vergeben, genüge allein noch nicht, sagte er gestern: «Da ist noch zu vieles offen.» Erst wenn man eine Konfrontation zwischen linken und rechten Gruppen ausschliessen könne, sei eine Bewilligung für die Kundgebung realistisch.

Rütli-Auftritt ohne Folgen

Gegen 13 nachträglich identifizierte Rechtsextreme, die am 1. August 2005 durch Brunnen marschierten, wird zurzeit ermittelt ­ allerdings nicht wegen Rassismus, sondern wegen unerlaubten Marschierens auf der Strasse. Noch ist unklar, ob die Rechtsextremen überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden können, da die Polizei sie damals gewähren liess, um eine Eskalation zu vermeiden.

Im Falle der Bundesfeier auf dem Rütli sind die Untersuchungen abgeschlossen. Die Urner Polizei ist aufgrund von Filmaufnahmen zum Schluss gekommen, dass seitens der pöbelnden Rechtsextremen «keine strafrechtlich relevanten Taten» vorliegen.