Weil der Geheimdienst mauerte: Freispruch in Basel Nazifrei-Prozess

bz basel.

Ein 37-jähriger Zürcher soll bei der Anti-Pnos-Demo 2018 an vorderster Front mitgeprügelt haben. Doch ob er wirklich der Mann auf den Polizeivideos ist, bleibt unklar.

«Wir konnten nicht feststellen, dass Sie die Person 103 sind», erklärte Gerichtspräsidentin Sarah Cruz kurz und bündig. Mit der Nummer 103 war die Person bezeichnet, die auf den Videoaufnahmen der Nazifrei-Demo vom November 2018 beim Basler Messeplatz immer wieder auftauchte. Zuerst als Teilnehmer, dann aber auch an konkreten Schlägereien: Es ist zu sehen, wie er einem anderen Mann zuerst hinterherrennt und danach Tritte austeilt, als der Gegner am Boden liegt. Vermutlich handelt es sich bei den Angegriffenen um Leute von der Pnos (Partei national orientierter Schweizer), die eigentlich ihre bewilligte Standaktion durchführen wollten.

Bei der Mattenstrasse wurde allerdings auch ein Mann angegriffen, der vermutlich bloss zufällig dort war. Er filmte aus einem Hauseingang die Demo mit seinem Mobiltelefon. Das trug ihm Schläge ein, das Telefon wurde ihm abgenommen, schliesslich musste er fliehen. Der Person 103 wurde zwar kein Raub vorgeworfen, auf den Videos ist aber zu sehen, wie er mindestens zwei weitere Leute per Handzeichen während der Verfolgung dirigiert. Der Unbekannte ist auf sämtlichen Videoaufnahmen vermummt.

Nachrichtendienst beruft sich auf Quellenschutz

Der 34-jährige Angeklagte machte am Donnerstag im Gerichtssaal keine Angaben zu seiner Person und verweigerte auch jegliche Auskünfte zu den Vorwürfen. Nach den Plädoyers betonte der aus Zürich stammende Mann allerdings, er sei an jenem Tag gar nicht in Basel gewesen.

Zum ersten Mal in dieser Prozess-Serie sagte die Staatsanwaltschaft deutlich, dass die Identifizierung des Angeklagten durch den Kantonalen Nachrichtendienst erfolgte. Genaueres wurde nicht bekannt, der Geheimdienst berief sich auf seinen Quellenschutz. «Die kennen ihre Leute. Sie können davon ausgehen, dass hier keine Falschidentifikation vorliegt», argumentierte Staatsanwalt Camilo Cabrera in seinem Plädoyer. Der Mann gehöre zur Szene und sei auch schon im Jahr 2011 verurteilt worden, weil er im Kanton Fribourg gewaltsam ein rechtsextremes Konzert verhindert habe. Cabrera forderte eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs, Angriffs, Nötigung, Gewalt gegen Beamte sowie Körperverletzung und eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten.

Tipp vom Nachrichtendienst reicht nicht für eine Verurteilung

Verteidiger Peter Nideröst verlangte einen Freispruch und kritisierte, durch den Quellenschutz sei der Hinweis des Nachrichtendienstes nicht überprüfbar. Auf seinen Rat hin habe sein Mandant ein Privatgutachten in Auftrag gegeben, welches nach Auswertung von 56 Gesichtsmerkmalen zum Schluss kam, dass er ganz klar nicht der Mann auf den Videos sei.

Das Dreiergericht betonte, der Freispruch sei unabhängig vom Privatgutachten erfolgt. Bereits beim Vergleich des Gesichtes des Angeklagten im Gerichtssaal mit den Videoaufnahmen habe das Gericht Zweifel gehabt. Mit dem Freispruch gehen die Verfahrenskosten sowieso auf die Staatskasse, das Gericht erstattete dem Freigesprochenen auch die knapp 3000 Franken des Privatgutachtens.

Gerichtspräsidentin Sarah Curz betonte, als Hinweis sei der anonyme Tipp vom Nachrichtendienst durchaus verwertbar und könne deshalb zu einem Anfangsverdacht wie auch zu einem Strafverfahren führen. Für eine Verurteilung reiche das aber nicht aus. Die Staatsanwaltschaft kann den Fall noch weiterziehen.

Der 37-Jährige nutzte sein Schlusswort, um 20 Minuten lang Meldungen von rechtsextremen Übergriffen der letzten drei Jahre aufzuzählen. Cruz liess ihn gewähren, sagte ihm nach der Urteilsbegründung aber auch, dass das Gericht keine politischen Wertungen vornehme, sondern lediglich die angeklagten Delikte beurteile.