«Was ein Bundesrat sagt, ist nicht egal»

BaslerZeitung

Rechtsextreme nehmen Christoph Blocher als schützende Autorität wahr, sagt Georg Kreis

Interview: Hannes Hänggi

Der Rechtsextreme Bernhard Schaub begründet seinen plötzlichen Aktivismus mit den Aussagen von Bundesrat Christph Blocher, wonach die Antirassismus-Strafnorm überarbeitet werden soll (baz vom Donnerstag). Georg Kreis, der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, mahnt die politischen Leiter, ihre Worte besser zu überdenken.

baz: Herr Kreis, Bernhard Schaub rechtfertigt seine Flugblattaktion mit den Äusserungen Christoph Blochers. Glauben Sie das?

Georg Kreis: Wenn sich jemand so erklärt, gibt es eigentlich keinen Grund, ihm nicht Glauben zu schenken. Grundsätzlich werden solche Zusammenhänge aber bestritten. Der Fall zeigt jedoch, dass Schaub in Blocher eine schützende Autorität sieht. Deshalb tut Schaub jetzt unter Ablegung aller Hemmungen seine Meinung kund. Wir sehen also, wie weit eine indirekte, stillschweigende Ermunterung führen kann ? obwohl sich solche Schulterschlüsse objektiv nicht nachweisen lassen.

Gab es schon vergleichbare Fälle?

Schon bei den Rütli-Manifestationen haben sich die Neonazis auf Herrn Blocher berufen. Einen ähnlichen Fall gab es also schon einmal.

Zeigt das auch, dass die rechtsextreme Szene stärker wird?

Ich gehe davon aus, dass sich das Phänomen verstärkt, national und international. Die Rechtsextremen treten immer hemmungsloser auf. Was aber die Ursachen dafür sind, ist nicht genau bekannt. Die Grobheit scheint aber ein akzeptierter politischer Stil geworden zu sein ? schon nur, um auch von den Medien wahrgenommen zu werden.

Und da sind Blochers Worte ein willkommener Steilpass für die Extremen?

Es ist sicher richtig, festzustellen, dass das, was leitende Personen tun und sagen, eine gewisse Vorbildwirkung, eine ermunternde Wirkung hat. Diese Feststellung ist banal. Es ist also nicht egal, was ein Bundesrat sagt; es ist nicht egal, was ein Parteipräsident sagt oder auch sonst jemand aus der politischen Elite. Den direkten, kausalen Zusammenhang aufzuzeigen und dabei auch nachzuweisen, welche Wirkung die Worte einer leitenden Person auf das Handeln einer anderen Person hat, das ist jedoch schwierig.

Und im Fall von Bernhard Schaub?

Wenn Herr Schaub sagt, Herr Blocher habe ihn zu seinem Handeln ermuntert, ist das unter dem Gesichtspunkt der Beweisführung schon fast ein Glücksfall.

Die von Schaub verteilten Schriften sind rechtlich gesehen wohl zu weit gegangen. Gibt es Beispiele von Verurteilungen?

Ja, Bernhard Schaubs Kollege Jürgen Graf. Dieser hat sich aber seiner Haftstrafe entzogen, indem er nach Russland geflüchtet ist. Mit Schaubs Schriften müssen sich nun Experten professionell beschäftigen und beurteilen, ob ein Straftatbestand vorliegt. Eine Verurteilung zu fordern, ist deshalb gar nicht nötig.

Dürfen dann die Medien überhaupt über Personen wie Schaub berichten?

Berichten auf jeden Fall. Andernfalls würde die Öffentlichkeit das ja gar nicht zur Kenntnis nehmen können. Die Medien haben eine wichtige Beobachtungsfunktion. Sie müssen solche Fälle wahrnehmen und aufdecken. Die Medien haben aber auch eine Beurteilungsfunktion. Sie müssen einordnen und, wenn ihnen der Fall gravierend erscheint, dies gleichzeitig mit einem Appell an die zuständigen Instanzen verbinden. Im Falle Schaubs mit einem Appell an die Untersuchungsbehörden, die den Fall wenn nötig dem Richter zuführen, damit sich dieser eine Meinung bilden und ein Urteil fällen kann. Aber zu schreiben, «dieser Mann gehört verurteilt», ist gar nicht nötig. Der Hinweis genügt vollauf.