War Angriff auf Reitschule Anfang neuer Gewaltwelle?

Der Bund

HOOLIGANS / Die Ausschreitungen nach dem Meisterschaftsspiel YB-Basel vom letzten Samstag seien in diesem Ausmass «nicht voraussehbar gewesen», sagt Fritz Schlüchter, Chef Informationsdienst der Stadtpolizei. Mit dem Angriff von über 100 Basler Hooligans sei möglicherweise «eine neue Dimension der Fangewalt» erreicht worden. Die Stadtpolizei will nun die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Fussballspiele im Neufeld überdenken.

ruk. Roland X.* sitzt der Schock noch immer in den Knochen. Er gehörte zu den rund 50 Leuten, die sich am Samstagabend in der Reitschule befanden, als zwischen 100 und 200 Basler Fans das Kulturzentrum angriffen. Steine, Flaschen, Bauabschrankungen, Velos und andere massive Gegenstände seien gegen das Wohnhaus, die Cafeteria und die Bar I-fluss geschleudert worden, erzählt X. Wenn sie nicht das grosse Tor mit Containern und die Türen des «I-fluss» mit Tischen aus dem «Sous le Pont» verbarrikadiert hätten, so hätte der wütende Mob die Reitschule gestürmt. Roland X. steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Vertreter der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) haben gestern vor den Medien detailliert geschildert, wie sich der «Fascho-Angriff» abspielte. Ihnen zufolge beteiligten sich rund 250 Nazi-Hooligans,Rechtsextreme und Sympathisanten am wüsten Treiben, bei dem ein Sachschaden von rund 10’000 Franken entstand. Die Ikur sparte nicht mit Kritik am Verhalten der Stadtpolizei: Diese habe erst 20 Minuten nach dem ersten Hilferuf aus der Reitschule interveniert, obwohl sie nach eigener Aussage die Randalierer aus dem Umfeld des FC Baseldie ganze Zeit beobachtet habe. «Wir sind der Meinung, dass das Polizei-Dispositiv nicht funktioniert hat», erklärte ein Ikur-Sprecher. Es sei nach dem Umzug von YBins Neufeld nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sich eine der rechtsextremen Fangruppen die Reitschule vorknöpfe. Zu Wort gemeldet hat sich gestern auch die Antifa Bern. Es habe sich einmal mehr gezeigt, dass sich an YB-Spielen «äusserst gewaltbereite Fascho-Hools tummeln und die Stadien ein Rekrutierungsfeld für Rechtsextreme darstellen», schreibt sie in einer Pressemitteilung.

Nur die Spitze vom Eisberg?

«Wir haben die Basler Hooligans nicht unterschätzt», erklärt Fritz Schlüchter, Chef Informationsdienst der Stadtpolizei. Dieser Dienst beobachtet seit Jahren die Hooligan-Szene rund um die Berner Young Boys und steht regelmässig mit der Schweizerischen Zentralstelle für Hooliganismus in Kontakt (siehe «Bund» vom 11.8.). «Was am Samstag passiert ist, war in diesem Mass nicht voraussehbar», sagt Schlüchter. Es sei zu einem eigentlichen «Flächenbrand» gekommen, wie es ihn – zumindest in Bern – noch nie gegeben habe. Er schliesst nicht aus, dass dieser Zwischenfall «eine neue Dimension der Fangewalt eingeläutet hat». Um die Basler Hooligans aufzuhalten, hätte es laut Stadtpolizei-Sprecher Franz Märki mindestens 100 Polizisten gebraucht – vergleichbar mit dem Aufgebot für einen Cupfinal. Beim Spiel YB-Basel standen aber insgesamt nur 40 Mann im Einsatz, weil es nach Rücksprache mit der Basler Polizei keine Hinweise gab, dass sich so viele gewaltbereite Personen ins Neufeld begeben. Die Stadtpolizei will nach den wüsten Szenen die Sicherheitsvorkehrungen überdenken. Es sei möglich, dass die Taktik geändert werde und in Zukunft zum Schutz der friedlichen Matchbesucher rigoroser eingeschritten werde, liess Franz Märki durchblicken.

Verkehr: Wieder Probleme

Nebst randalierenden Fangruppen machte der Stadtpolizei am Samstag vor allem der Verkehr zu schaffen. Zwischen 16 und 17 Uhr führte das zeitliche Zusammentreffen von Geschäftsschluss und Ankunft der Matchbesucher zu verschiedenen Staus und Behinderungen auf der Achse Innenstadt-Schützenmatt-Bierhübeli-Autobahnanschluss Neufeld. Nach Spielende lag die grösste Problemzone an der Neubrückstrasse, die der rabiate Teil des Basler Anhangs vorübergehend vollkommen blockierte (siehe «Bund» von gestern). Das Problem sei, dass viele motorisierte Fans erst ganz kurz vor dem Anpfiff im Stadionbereich einträfen, sagt Märki. Die Verkehrspolizisten – am Samstag waren 10 im Einsatz – könnten nicht mehr tun, als die Automobilisten «so speditiv wie möglich» zu den insgesamt rund 1200 Parkplätzen im Park &Ride Neufeld, im Car-Terminal, an der Studerstrasse und der alten Studerstrasse zu dirigieren. Wenn im Neufeld gekickt wird, machen in der Regel ein paar Beamte Jagd auf Falschparkierer. Am letzten Samstag wurden 46 Ordnungsbussen verteilt.