«Viele überlegen sich ihre Likes jetzt zweimal»

Einen 45-jährigen Zürcher kommen seine Facebook-Likes wohl teuer zu stehen. Er drückte bei Beiträgen den «Gefällt mir»-Knopf, in denen ein bekannter Tierschützer als Rassist und Antisemit bezeichnet wurde. Dafür hat ihn nun das Bezirksgericht Zürich zu einer Geldstrafe von 4000 Franken verurteilt.

Mit dem Anklicken des «Gefällt mir»-Buttons habe der Mann die ehrverletzenden Inhalte klar befürwortet und sie sich damit zu eigen gemacht, argumentiert das Gericht. Auf Facebook seien die Äusserungen weiterverbreitet und so einer Vielzahl von Personen zugänglich gemacht worden.

«Verurteilung wegen Like dürfte Ausnahme bleiben»

IT-Rechtsexperte Martin Steiger sass während des Prozesses im Gerichtssaal. Er sieht im Urteil keinen Grundsatzentscheid. «Es gelang dem Beschuldigten nicht, die Richterin von der Glaubwürdigkeit seiner Antworten zu überzeugen.» Bei einer anderen Richterin wäre das Urteil vielleicht anders ausgefallen.

Was heisst nun dieses Urteil für Facebook-Nutzer? «Dass man wegen eines Likes verurteilt wird, dürfte die Ausnahme bleiben», sagt Steiger. «Vorsicht sollte man nun aber bei Personen walten lassen, die sich oft vor Gericht wehren.» Diese könnten durch das Urteil ermutigt werden, auch wegen eines Likes zu klagen.

Steiger sieht das Urteil kritisch: «Für mich ist das ein Eingriff in die Meinungsfreiheit.» Eine öffentliche Person müsse es doch aushalten können, wenn ein kritischer Beitrag ein paar Likes sammle.

«Effizienter Weg, um Angriffe zu stoppen»

Für Social-Media-Experte Sven Ruoss von der Hochschule für Wirtschaft Zürich ist klar: «Das Urteil hat eine disziplinierende Wirkung. Viele Leute werden sich nun ihre Likes zweimal überlegen.» Für Ruoss eine willkommene Entwicklung. «Das Urteil ist eine Antwort auf die ganzen Hass-Postings in den sozialen Netzwerken.» Die Leute würden dank dem Urteil verstehen, dass Facebook ein halb öffentlicher Raum sei und nicht etwa eine Stammbeiz.

Die ehemalige Zuger Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin reicht regelmässig Anzeigen ein, wenn sie Hass-Postings gegen sich auf Facebook findet. «Das ist ein effizienter Weg, um persönliche Angriffe gegen mich zu stoppen. Wer eine Geldstrafe bezahlen muss, hört meist mit den Belästigungen auf.»

Wegen eines einzelnen Likes würde Spiess-Hegglin aber nicht aktiv werden. «Man kann sich ja mal verklicken, auch ich könnte schon einmal einen heiklen Beitrag gelikt haben.» Habe es aber jemand auf sie abgesehen, sehe es anders aus. «Wenn mich eine Person massiv über Social Media angreift, kann ich mir auch vorstellen, die Likes in die Anklage einzubeziehen.»

«Auch einen SVP-Nationalrat kann man nicht einfach ‹Nazischwein› nennen»

Auch SVP-Nationalrat Andreas Glarner verklagte bereits einen Kritiker, der ihn auf Twitter ein «Nazischwein» nannte. Wegen eined Liked würde er jedoch nicht gleich vor Gericht gehen. «Ich wehre mich aber gegen die Urheber, wenn es ehrverletzende Kommentare sind.»

Doch Glarner muss auf Facebook nicht nur einstecken, sondern teilte auch aus. Ein Oben-ohne-Bild von Juso-Politikerinnen bezeichnete er als «Schreckung der Bevölkerung», und seine Anhänger beleidigten die abgebildeten Frauen massiv. Spiess-Hegglin wiederum reichte daraufhin über ihren Verein #NetzCourage im Namen der Juso Strafanzeige gegen einige der Kommentatoren ein. Trotzdem findet sie es richtig, dass Glarner sich wehrt. «Auch einen SVP-Nationalrat kann man nicht einfach ‹Nazischwein› nennen.»