Verbreitet ein Basler Polizist rechtsextreme Inhalte?

Das Lamm.

Recherchen von das Lamm deuten darauf hin, dass ein Basler Polizist rechtsextreme Inhalte auf sozialen Medien teilt. Welche Konsequenzen das für ihn hat, will die Kantonspolizei nicht sagen. Es ist nicht der erste Fall. 

S.W.* wettert über die vermeintliche Islamisierung Europas, verwendet das N‑Wort und beschreibt eine Demonstration von Antifaschist:innen als „linke Arschlochdemo“. 

Er liked die Facebook-Seiten von Rechtsaussen-Politiker:innen aus Deutschland und ist Teil von Gruppen, in denen rassistische, pandemieleugnende und misogyne Posts geteilt werden. 

Und: S.W. arbeitet allem Anschein nach für die Kantonspolizei Basel-Stadt. 

Gemäss einer Ausgabe der Mitarbeiter:innenzeitschrift BS intern, die das Lamm vorliegt, arbeitete S.W. zum Zeitpunkt der Erscheinung der Zeitschrift 2018 in der Einsatzzentrale. Auf seinem Facebookprofil teilt er regelmässig Artikel der Seite „Polizeinews“. Unter seinen Bildern sind einige, die das Symbol der „Thin Blue Line“ zeigen. Die blaue Linie symbolisiert die Einsatzkräfte und „ihre Rolle als Beschützer der Bürger gegen die Kriminellen und zum Gedenken an Polizisten, die im Dienst verletzt oder getötet wurden“, wie es auf einer Webseite von Unterstützer:innen heisst.

Mit den Recherchen von das Lamm konfrontiert, bestätigt die Medienstelle nicht direkt, dass S.W. ein Mitarbeiter der Kantonspolizei sei. Sie hält aber fest, dass „zum genannten Thema an mindestens zwei verschiedenen Stellen des Justiz- und Sicherheitsdepartements Schreiben eingegangen sind, unter anderem bei der Beschwerdestelle“.

Dass die Kantonspolizei einen Polizisten mit rechtsextremer Gesinnung beschäftigt, ist auch deshalb pikant, weil die Stadtbasler Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft in der jüngeren Vergangenheit hart gegen linke Aktivist:innen vorgegangen sind. 

Da wäre der Zusammenstoss mit Antifaschist:innen an der Basel-Nazifrei-Demonstration im November 2018. Videoaufnahmen und Zeug:innenberichte zeigen, dass die Gewalt wohl zuerst von den Polizist:innen ausgegangen ist. Verurteilt wurden in der juristisch umstrittenen Prozessreihe bisher allerdings nur Antifaschist:innen; die Neonazis der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) blieben während und nach der Demonstration unbescholten. Einige Verfahren in der Sache sind noch hängig.

Klimaaktivist:innen, die im Juli 2019 den Eingang der UBS am Basler Aeschenplatz blockierten wurden zwar wider Erwarten freigesprochen. Das harte Vorgehen der Polizei, die einzelne Aktivist:innen bis zu zwei Nächte lang in Untersuchungshaft steckte, gab aber auch im Grossen Rat Anlass zur Diskussion. 

Auf eine friedliche Solidaritätskundgebung für Geflüchtete an der griechisch-türkischen Grenze vor gut einem Jahr reagierte die Polizei mit Tränengas. Ein Demozug des feministischen Streiks wurde vergangenen Sommer auf der Johanniterbrücke während mehrerer Stunden eingekesselt. Und vor wenigen Wochen wurde eine Demo in Solidarität mit allen Angeklagten in den Basel-Nazifrei-Prozessen nach wenigen Minuten mit Gummischrot angegriffen.

Kein Einzelfall

Es ist nicht das erste Mal, dass der Basler Kantonspolizei vorgeworfen wird, Mitarbeitende mit rechtsextremer Ideologie zu beschäftigen. Vergangenes Jahr hat der Fall rund um JSVP-Politiker Adrian Spahr für Aufsehen gesorgt. Dieser machte mit einem Abstimmungsplakat gegen einen Fahrenden-Stehplatz im Kanton Bern Stimmung – und wurde daraufhin wegen „Rassendiskriminierung“ verurteilt. 

Zuerst wurde Spahr in den Innendienst versetzt, wo er weiterhin in den sozialen Medien gegen Minderheiten hetzte. Ende Juni 2020 schied Spahr gemäss eigenen Angaben auf eigenen Wunsch aus dem Korps aus. Der Fall gab politisch zu reden: In einer Antwort auf eine Interpellation im Grossen Rat hielt der Regierungsrat damals fest, er wolle gegen jegliche Art von Diskriminierung vorgehen und diese verhindern.

Unter einem Artikel zur Verurteilung von Adrian Spahr schreibt ein gewisser S.W., dass die strafrechtlich geahndeten Aussagen von Spahr „harmlos“ seien. Ob es sich dabei um den Polizisten S.W. handelt, liegt zwar nahe, ist aber nicht abschliessend feststellbar. 

Klar ist aber: An Unterstützung für Adrian Spahr scheint es im Polizeikorps nicht gemangelt zu haben: Spahr habe „immer viel Zuspruch von Vorgesetzten und Kollegen“ erhalten, sagte er nach seiner Kündigung im Interview mit Watson.

38 Lektionen gegen Rassismus

Eigentlich prüfe die Kantonspolizei Basel-Stadt im Rahmen eines mehrstufigen Bewerbungsverfahrens Ansichten und Persönlichkeitseigenschaften, hält die Regierung in der Interpellationsantwort fest. „Ergeben sich im Verlauf des Bewerbungsverfahrens Hinweise auf rassistische oder extremistische Tendenzen, sieht die Kantonspolizei von einer Anstellung ab.“ Weiter führe die Kantonspolizei seit 2020 antirassistische Workshops durch.

Auch in der Grundausbildung der Polizist:innen würden Anwärter:innen in verschiedenen Modulen auf Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus im Polizeiberuf sensibilisiert. 

Ein Blick in die Lehrmittel zeigt, dass Polizist:innen in der Grundausbildung tatsächlich in Sachen „Menschenrechte, Ethik, Interkulturelle Kompetenz“ geschult werden – allerdings machen diese Module gerade einmal 38 der total 1’100 Lektionen aus.

Auf die Frage, wie die Kantonspolizei mit S.W. umzugehen gedenke, antwortet der Pressesprecher: „Die Bandbreite der möglichen Folgen eines solchen Verhaltens reicht vom Gespräch mit dem Vorgesetzten bis hin zu personalrechtlichen Massnahmen.“ Genauer nehme man aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Stellung dazu. 

Es ist also gut möglich, dass S.W. zum aktuellen Zeitpunkt trotz seiner rechtsextremen Postings weiter als Kantonspolizist arbeitet.

*In einer früheren Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, dass die Kantonspolizei Basel-Stadt Adrian Spahr entlassen habe. Richtig ist, dass Adrian Spahr im Juni 2020 ordentlich aus dem Korps ausgetreten ist, ohne weitere Angaben zu den Gründen seines Abgangs zu machen.