«Verbalterror dulden wir nicht mehr»

Neue Luzerner Zeitung

Für die Bundesfeier auf dem Rütli wird die Platzzahl auf 2300 beschränkt.

Der Zugang zum Rütli wird nur von Brunnen her möglich sein.

Ein grosses Polizeiaufgebot soll den Aufmarsch von Rechtsextremen verhindern.

«Szenen wie im vergangenen Jahr dürfen sich nicht wieder abspielen.»

JUDITH STAMM, PRÄSIDENTIN RÜTLIKOMMISSION

Rechtsextreme sollen am

1. August gar nicht mehr erst aufs Rütli gelangen: Wer an die Bundesfeier will, braucht eine Eintrittskarte.VON MARKUS FÖHN

Judith Stamm sprach mit entschiedenem Tonfall, gestern an der Medienorientierung zur Bundesfeier auf dem Rütli vom kommenden August. «Szenen wie im vergangenen Jahr dürfen sich nicht wieder abspielen», sagte die Luzerner alt Nationalrätin und Präsidentin der Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). «Wir wollen eine würdige Bundesfeier. Verbalterror dulden wir nicht mehr.»

Es soll sich am Nationalfeiertag also nicht wiederholen, was 2005 geschah: Bundespräsident Samuel Schmid wurde damals während seiner ganzen Rede von mehreren hundert mit Fahnen aufmarschierten Rechtsextremen ausgebuht und beschimpft, sobald er Worte wie Ausländer, Integration, Demokratie oder Religionsvielfalt verwendete.

2300 fälschungssichere Tickets

Die SGG will Rechtsextreme von der Bundesfeier fernhalten, indem sie den Zugang zum Rütli am 1. August beschränkt. Konkret: Aufs Rütli kommt nur noch, wer über ein Ticket für die Feier verfügt.

Die 2300 Billette werden fälschungssicher und persönlich ausgestellt sein. Rund die Hälfte von ihnen bietet die SGG dem Bund und den Kantonen zur Verteilung an, der Rest steht der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung (siehe Kasten). In Brunnen schliesslich sollen Kontrollstellen eingerichtet werden. Passieren wird diese Posten nur können, wer über ein Ticket verfügt und mit einem Ausweis belegen kann, dass er der rechtmässige Besitzer ist.

Die persönlichen Daten, die die Festbesucher bei der Ticketbestellung abgeben, sollen nicht weiterverwendet, sondern nach dem 1. August vernichtet werden. Unklar ist noch, ob die Polizei aufgrund dieser Daten im Vorfeld des Bundesfeiertags einzelne Personen überprüfen darf. «Im Moment fehlt uns die rechtliche Grundlage dazu», sagte Beat Hensler, der als Kommandant der Kantonspolizei Luzern den Polizeieinsatz rund um die 1.-August-Feier koordinieren wird.

Ticketsystem kostet viel Geld

Der Aufwand für das Ticketsystem sei gross, räumte gestern SGG-Geschäftsleiter Herbert Ammann ein. «Wir rechnen mit Kosten von gut 100 000 Franken. Wir glauben aber, dass wir so rechtsextreme Gruppierungen abhalten können, am 1. August organisiert aufs Rütli zu fahren und die Feier zu stören.»

Offen freilich ist, was in Brunnen geschehen wird, dem einzigen Ort, von dem aus das Rütli im Vorfeld der Feier erreichbar sein wird. Im vergangenen Jahr waren nach der Feier über 600 Rechtsextreme skandierend durch Brunnen gezogen. In diesem Jahr liegt ein Gesuch für die Veranstaltung des Bündnisses für ein buntes Brunnen auf dem Tisch, über welches das Schwyzer Verwaltungsgericht noch befinden muss. Brunnens Gemeindepräsident Urs Koller hat gegenüber dieser Zeitung unlängst die Befürchtung geäussert, linke und rechte Extremisten könnten in Brunnen gewaltsam aufeinander prallen.

Feier kommt klassisch daher

Die Feier auf dem Rütli wird auch in diesem Jahr klassisch gestaltet sein. «Ein Familienplausch mit Bratwurst oder musikalischer Jubel, Trubel und Heiterkeit schienen uns nicht angemessen», sagt Judith Stamm. Als Redner wird Markus Rauh auftreten, der noch bis am 25. April Verwaltungsratspräsident der Swisscom ist. Stamm lobte ihn als sozial engagierten Mann aus der Wirtschaft, der die Werte der Schweiz hochhalte.

«Der Weg aufs Rütli wird über Brunnen führen.»«Die Polizei ermöglicht eine würdige Feier»

Die Zentralschweizer Polizeikorps werden am kommenden 1. August zusammen mit den Korps aus weiteren Kantonen für die Sicherheit der Bundesfeier auf dem Rütli sorgen. Beat Hensler leitet den Gesamteinsatz. Und sagt, wie die Polizei vorgehen wird.

Beat Hensler, wie viele Polizisten werden im Rahmen der Rütlifeier vom 1. August im Einsatz sein?

Beat Hensler: Dazu kann ich aus taktischen Gründen keine Angaben machen. Ich kann nur sagen: Die Polizei wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine würdige 1.-August-Feier auf dem Rütli zu ermöglichen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Hensler: Wir werden im Raum Brunnen Kontrollstellen einrichten und sicherstellen, dass nur Leute aufs Rütli gelangen, die ein gültiges Ticket haben. Die Polizei wird auch Ausweiskontrollen durchführen der Name auf dem Ticket muss identisch sein mit dem im Ausweis, sonst gibts keinen Zutritt zum Rütli.

Die Kontrollen finden im Raum Brunnen statt. Was passiert mit den übrigen Zugängen zum Rütli, etwa vom Seelisberg her?

Hensler: Alle weiteren Zugänge werden polizeilich gesperrt sein, sei es vom Seelisberg her, sei es von Treib. Der Weg aufs Rütli wird über Brunnen führen. Es werden auch keine Schiffe beim Rütli anlegen können, ausser jene, die für die offizielle Bundesfeier eingesetzt werden.

Das Rütli wird also kein öffentlich zugänglicher Ort mehr sein.

Hensler: Das stimmt. Aber nur während der Dauer der Bundesfeier.

In Brunnen könnte es brenzlig werden. Zum einen konzentriert sich dort die Einschiffung aufs Rütli, zum anderen findet dort je nach Urteil des Schwyzer Verwaltungsgerichts vielleicht eine Kundgebung des Bündnisses für ein buntes Brunnen statt.

Hensler: Falls die Kundgebung stattfinden kann, wird es für uns darum gehen, eine bewilligte Demonstration zu schützen. Wird die Kundgebung nicht bewilligt, werden wir ein Aufeinandertreffen von gewaltbereiten Kräften aus dem linken und dem rechten Lager verhindern müssen.

Keine leichte Aufgabe.

Hensler: Wir werden die Sicherheit und Ordnung aber gewährleisten. In Brunnen und auch in Luzern, wo es im vergangenen Jahr am 1. August ebenfalls zu einer grossen Demonstration kam.

Beat Hensler ist Kommandant der Kantonspolizei Luzern.

RÜTLIFEIER

Ab 1. Juni gibts Bestellformulare

Wer am 1. August an der Feier auf dem Rütli dabei sein will, kann ab dem 1. Juni ein Antragsformular für eine Eintrittskarte bestellen. Mit einem Formular können bis zu acht Karten bestellt werden, Doppelbestellungen werden nicht berücksichtigt. Auf dem Anmeldeformular bestätigen alle Interessenten, dass sie sich an die Hausordnung des Rütlis halten. Nach dem Erhalt des Antragsformulars wird die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft die

Tickets per Post zustellen. Besucher des Rütlis sollten am 1. August neben dem Ticket auch einen Ausweis auf sich tragen die Polizei wird Kontrollen durchführen.

Das Bestellformular für Rütli-Tickets kann auf www.ruetli.ch heruntergeladen oder per Post bestellt werden. Die Adresse: Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, Schaffhauserstrasse 7, 8042 Zürich.

Brunnen

«Schwarzer Peter»

Alle Wege aufs Rütli werden am 1. August über Brunnen führen Gemeindepräsident Urs Koller ist davon wenig begeistert. «Da könnte eine Menge Ärger auf uns zukommen», sagt er. «Wahrscheinlich haben wir wieder den schwarzen Peter gezogen, nachdem es bei uns schon in den vergangenen Jahren zu Zwischenfällen gekommen ist.» Sein Missmut, betont Koller, richte sich nicht gegen die Behörden oder die Organisatoren der Feier, sondern gegen «die extremen Gruppen, die in Brunnen einfallen und den Nationalfeiertag für ihre Zwecke missbrauchen wollen».

«Liberale, offene Gemeinde»

Unschön nämlich sei, dass Brunnen durch den Aufmarsch von Rechtsextremen ein negatives Image erhalte. «Wir sind eine liberale, offene Gemeinde, kein Hort rechtsradikalen Gedankenguts. Wir haben ganz einfach das Pech, dass wir als Aufmarschort herhalten müssen.»

Brunnen wird über die Abhaltung einer eigenen 1.-August-Feier noch beraten. Urs Koller: «Wir müssen abklären, ob, wann und in welcher Form wir den Nationalfeiertag offiziell begehen wollen.»