Unverständliche Gerichtspraxis: ON-Redaktor wegen Ferienabwesenheit verurteilt

Obersee Nachrichten: Im April wählte Uznach Christian Holderegger zum Gemeindepräsidenten. Gegenkandidat Peter Müller erhielt nur halb so viele Stimmen. Die ON beschrieben zuvor das berufliche Umfeld von Müller. Dafür wird der ON-Redaktor jetzt gebüsst.

ON-Redaktor Mario Aldrovandi hatte festgestellt, dass der Gemeindepräsidents-Kandidat Peter Müller einen Verlag für militärische Schriften betreibt. Verkauft werden dort Bücher über Panzer des Dritten Reichs, Erlebnisberichte aus dem Zweiten Weltkrieg aus deutscher Sicht und Dokumente von Nazigrössen. Zu den Autoren gehörten auch ein Hitlerjunge und ein Mann, der wegen Diebstahls von Holocaust-Dokumenten verurteilt worden war.

ON-Redaktor Aldrovandi schrieb zwei Artikel zu diesem Thema und bot Peter Müller ein Interview an, in dem er seine Sicht der Dinge hätte darlegen können. Dies lehnte er ab. Neun Wochen nach seiner Wahlniederlage klagte Müller gegen den ON-Redaktor wegen «übler Nachrede».

Busse wegen «übler Nachrede»

Mit Entscheid vom 2. September verurteilte die Staatsanwältin Kathrin Heinzl vom Kreisgericht See-Gaster in Uznach den Redaktor zu einer Busse von 200 Franken wegen «übler Nachrede» und einer bedingten Geldstrafe. Den Entscheid fällte sie in einem einfachen Verfahren, ohne dass sie den Journalisten direkt befragt hatte und ohne dass dieser Akteneinsicht erhielt. Die Staatsanwältin führte aus, Aldrovandi habe Müller zwar nicht als Nazi- oder Rechtsextremen bezeichnet, aber «er machte aus ihm einen Nazi-Sympathisanten».

Mit diesem Meinungsurteil der Staatsanwältin sind die ON in keiner Weise einverstanden. Sie bestreiten auch, dass sie aus Müller einen «Nazi-Sympathisant gemacht» haben. Die ON haben lediglich ihre Pflicht erfüllt und die Stimmbürger von Uznach über den beruflichen Hintergrund ihres möglichen Gemeindepräsidenten informiert.

Rekurs war nicht möglich

Weil es nicht sein darf, dass ein Redaktor wegen seines publizistischen Auftrags verurteilt wird, wollten die ON gegen das Urteil Rekurs einlegen. Ein nächsthöheres Gericht sollte den Fall beurteilten, insbesondere auch deshalb, weil das Uzner Gericht gemäss eigener Darstellung gegenüber den ON zumindest im Fall KESB, und damit möglicherweise generell, nicht frei von Werturteilen ist.

Zur Neubeurteilung durch die nächste Instanz kommt es trotzdem nicht. Das Gericht sendete am 5. September das nicht angekündigte Urteil mit eingeschriebenem Brief an die Privatadresse von Mario Aldrovandi. Zu dieser Zeit aber befand sich der ON-Redaktor im Ausland in den Ferien. Als er zurückkehrte, war die zehntägige Rekursfrist bereits abgelaufen und das Urteil damit rechtskräftig geworden.

Wer also in den Ferien weilt und von einem Gericht unangekündigte Post erhält, verwirkt somit sein Recht, gegen ein Urteil Einsprache zu erheben. (on)