Und wieder gab es Krawalle

BernerZeitung

Beim «Antifaschistischen Abendspaziergang» haben Demons-tranten Sachschäden von über 100000 Franken verursacht. Die Polizei setzte Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer ein.

Pascal Schwendener

Es würde kein Spaziergang werden. Da war man sich bei der Stadtpolizei am Samstagabend sicher. Gewaltbereite Linksautonome aus der ganzen Schweiz, Frankreich und Deutschland hatten ihre Teilnahme am 5. «Antifaschistischen Abendspaziergang» in Bern angekündigt, unter anderen der berüchtigte «Schwarze Block» aus Zürich. Und so hatten Stadt- und Kantonspolizei ein Grossaufgebot von sechshundert Polizisten in Bereitschaft. Allein in der Spitalgasse standen elf Polizeitransporter, in den Seitengassen parkten Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge. «Bern scheint im Kriegszustand zu sein», bemerkte ein Beobachter.

Tatsächlich war die Stimmung bereits bei der Besammlung rund um die Heiliggeistkirche um 20 Uhr mächtig angeheizt. Petarden explodierten in den Gassen, eine Schweizer Fahne wurde verbrannt, und in Sprechchören riefen die Demonstranten nicht nur zum Kampf gegen Rechtsextremismus und Faschismus auf, sondern auch gegen Polizei und Staat. 3000 bis 4000 zum grossen Teil vermummte Autonome waren nach Bern gekommen – mehr als an jedem «Spaziergang» zuvor. Und unter ihnen befanden sich laut Polizeisprecher Franz Märki auch «auffallend viele Militante».

Tausende von Aufklebern

Gleich zu Beginn warnte die Polizei: «Sollte es zu Sachbeschädigungen kommen, werden wir diese unbewilligte Demonstration auflösen. » Zwar hatte das «Bündnis gegen rechts» als Organisatorin des Umzugs bekräftigt, «dass der Abendspaziergang in entspannter Atmosphäre» stattfinden solle. Doch aus der Erfahrung der vergangenen Jahre, als durch Sprayereien und Kreide-Kritzeleien jeweils massive Sachschäden entstanden, wollte die Polizei kein Risiko eingehen. Und so begleiteten Dutzende von Grenadieren den Demozug durch Spital- und Marktgasse hinunter zum Rathausplatz, schützten speziell gefährdete Gebäude und sperrten gleichzeitig die Nebengassen ab. Bis dahin blieb es im Grossen und Ganzen ruhig. Zwar wurden Tausende von «Anti-Nazi»-Aufklebern an Fasssaden und Schaufenstern angebracht, vereinzelt gesprayt, gekritzelt und gekleistert – aber insgesamt attestierte die Polizei Organisatoren und Demonstranten ein grosses Mass an Selbstdisziplin. Als dann aber ein paar Heisssporne einen Zivilfahnder tätlich angriffen sowie im Vorbeigehen 50 bis 70 Autos zerkratzten und einige Aussenspiegel abbrachen, setzte die Polizei dann doch klare Grenzen. Innert Minuten waren Schäden von rund hunderttausend Franken angerichtet worden. Dem konnte die Einsatzleitung nicht weiter zusehen. Sie stoppte den Umzug auf dem Waisenhausplatz und kesselte ihn ein – «um Zeit zu gewinnen und die Lage neu einzuschätzen», wie der Einsatzleiter später erklärte. Rund eine Viertelstunde lang standen sich in der Folge schwarz Vermummte und blau Uniformierte gegenüber. Eine Pattsituation. Hüben wie drüben lagen die Nerven blank. Schreie gellten, Flaschen flogen und Petarden krachten, bis die Polizei schliesslich unter Applaus den Weg durch die Speichergasse frei gab.

Wasser, Gas und Schrot

Als der Demozug gegen 22 Uhr schliesslich im Bollwerk ankam und sich aufzulösen begann, sollte es aber erst richtig losgehen. Während eine Hälfte des Zuges gegen die Reitschule zog, marschierte die andere hinauf gegen den Bahnhof und die Innenstadt. Dass sie dorthin gelangten, wollte die Polizei dann allerdings mit allen Mitteln verhindern. Mehrere hundert versuchten dennoch durchzubrechen, wurden aber mit Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfer zurückgedrängt. In der Folge kam es auf der Schützenmatte zu zahlreichen Scharmützeln, die sich bis nach Mitternacht hinzogen. Dann zog sich ein grosser Teil der Demonstranten in die Reithalle zurück. Andere verschwanden Richtung Grosse Schanze und Bierhübeli. Die Polizeikordons lösten sich auf.

30 Personen festgenommen

Die Schadensbilanz der Polizei am frühen Sonntagmorgen: Ein Polizist und zwei Passanten leicht verletzt, Sachschäden von weit über 100000 Franken und 30 festgenommene Manifestanten, darunter ein Zehnjähriger. Alle Festgenommenen seien nach den Befragungen wieder auf freien Fuss gesetzt worden, sagte Polizeisprecher Franz Märki. Sie alle hätten mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruch zu rechnen, zum Teil auch wegen Sachbeschädigungen.

Der öffentliche Verkehr war von 20. 30 Uhr bis nach Mitternacht behindert. Der private Verkehr wurde grossräumig umgeleitet.

Der fünfte «Antifaschistische Abendspaziergang» sollte ein Zeichen setzen «gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für eine solidarische und selbstbestimmte Gesellschaft». Doch in Erinnerung bleiben werden die Ausschreitungen.