Tabubrüche steigern die Einschaltquoten

Südostschweiz

Die politische Kultur wird durch die oft effekthascherische Berichterstattung über Rechtsextremismus geschwächt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds (NFP).

Von Christoph Brunner

Bern. – Rechtsextreme Gruppierungen grölen auf dem Rütli oder anderswo, und die Kameras der Medienschaffenden halten möglichst lange nahe auf diesen «Tabubruch» drauf – und kommen so den Publizität suchenden Akteuren entgegen. Was dabei aber gemäss der gestern publizierten Studie «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen» des NFP zu oft auf der Strecke bleibt, ist eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus und dessen kritische Überprüfung. Das Resultat sei, dass sich Medien und Politik einerseits und Rechtsextreme andererseits gegenseitig instrumentalisieren würden – was zu einer stärkeren Beachtung des Themas Rechtsextremismus führe.

Dieser «Mechanismus» trägt laut den Studienautoren aber nicht dazu bei, dass rechtsextreme Positionen und Erklärungsmuster von Schweizerinnen und Schweizern zunehmend akzeptiert werden. Das Gegenteil sei der Fall. Trotzdem könnten Rechtsextreme aufgrund des medialen Echos an rechtspopulistische Themen anknüpfen, die seit Mitte der Neunzigerjahre zunehmend Beachtung finden würden: Ausländerkriminalität, Asylmissbrauch, Kritik an der «Classe politique» oder die Debatte um die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs.

Auf Inszenierungen verzichten

Die zunehmende Berichterstattung über Rechtsextremismus wird in der Studie hauptsächlich auf zwei Gründe zurückgeführt. Erstens wurden die Parteimedien in den letzten zwei Jahrzehnten durch unabhängige Unternehmen ersetzt, die vermehrt wirtschaftlichem Druck ausgesetzt sind. Zweitens hat sich die Parteienlandschaft in den letzten zehn Jahren polarisiert: SP und SVP versuchen mit dem Extremismusvorwurf beide, ihren Gegner zu diskreditieren. Als Gegenmassnahme wird den Medien in der Untersuchung empfohlen, nicht auf «rechtsextreme Selbstinszenierungen» einzusteigen. Damit könne verhindert werden, dass die politische Kultur auf Dauer gefährdet und das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik untergraben werde.

SVP bezeichnet Studie als Skandal

Bern. – Im Rahmen der Nationalfondsstudie «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen» wurde auch die SVP zum Studienobjekt. Die SVP sei jene der grossen, nationalen Parteien, die am weitesten rechts stehe und rechtspopulistisch politisierte, argumentierten die Autoren der Studie. Es wurde etwa festgestellt, dass SVP-Anhänger keine homogene Gruppe bilden und die Beweggründe der SVP-Sympathisanten vielseitig sind.

Die SVP bezeichnete die Studie in einer Stellungnahme von gestern als Skandal und als Verschleuderung von Steuergeldern. Den SVP-Mitgliedern würden Feindseligkeiten gegenüber Immigranten unterstellt und die Partei in Zusammenhang mit rechtsextremen Gruppen gebracht. Die SVP verwahre sich in aller Form gegen diese «dreckigen Vorwürfe» und fordere den Bundesrat auf, beim Nationalfonds die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, hiess es weiter.