SVP attackiert Studie zum Rechtsextremismus

TagesAnzeiger

Eine Nationalfondsstudie hat die SVP-Basis unter die Lupe genommen – zum Ärger der SVP: Ihre Anhänger würden in die Nähe von rechtsextremen Kreisen gerückt, klagt sie.

Von Stefan Häne

«Skandal: Steuergeld für Anti-SVP-Studie»: Heftig reagierte gestern die SVP auf eine Studie im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP 40+). Diese hat mit Blick auf den Rechtsextremismus in der Schweiz auch den ideologischen Hintergrund der SVP-Anhänger ausgeleuchtet. «Unsere Mitglieder sind einmal mehr in die Nähe von rechtsextremen Kreisen gerückt worden», ärgert sich SVP-Pressesprecher Roman S. Jäggi. Die SVP verwahre sich gegen diese «dreckigen Anwürfe», die politisch motiviert seien. Beim Nationalfonds reagiert man gelassen auf die Kritik. Die Studie sei im Auftrag des Parlaments erstellt worden, weder der Zeitpunkt der Publikation fünf Monate vor den eidgenössischen Wahlen noch der Inhalt seien gegen die SVP gerichtet.

Wer die Studie liest, gewinnt auch nicht den Eindruck, die SVP stecke mitten im braunen Sumpf. Die Autoren halten zwar fest, dass die SVP die Fremden grundsätzlich als «Problem» betrachtet; ihre Untersuchung zielt im Kern jedoch auf die Frage, inwieweit zwischen den Parteianhängern und dem Parteikurs Unterschiede bestehen. «Die SVP-Basis ist weniger homogen als erwartet», bilanziert Ko-Autor Oscar Mazzoleni von der Universität Lausanne. Je nach sozialem Umfeld und persönlicher Vergangenheit würden die SVP-Anhänger der Partei aus anderen Motiven beitreten und deren Kernthemen anders gewichten. Beispielhaft zeigt sich dies laut Mazzoleni bei der Ausländerpolitik. In Zürich etwa empfinden die SVP-Anhänger den Islam als weitaus grössere Bedrohung als in Genf. Entsprechend häufiger und deutlicher werden an der Basis ausländerkritische Töne laut. Unterschiedliches Gewicht messen die SVP-Anhänger auch der Verteidigung der schweizerischen Identität bei. Während die einen der Partei aus just diesem Grund beitreten, erachten andere diese Thematik als zweitrangig. Weitere Differenzen ortet die Studie in Wirtschaftsfragen. So können sich längst nicht alle SVP-Anhänger, speziell die Arbeitnehmer unter ihnen, mit der neoliberalen Ideologie der Parteispitze identifizieren. Auch die Kritik an der «Classe politique» findet nicht bei allen SVP-Anhängern Zuspruch. Ein Teil der befragten Parteianhänger – wenn auch nur ein kleiner – zeigt sich zudem liberal in kulturellen Fragen, beispielsweise bei der Straffreiheit des Cannabiskonsums. Was alle SVP-Anhänger eint, sind ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Ausländern sowie ein starkes Gefühl nationaler Zugehörigkeit.

Rechtsextreme erhalten Medienhilfe

Im Rahmen von NFP 40+ ist gestern eine zweite Studie erschienen. Diese kommt zum Schluss, Rechtsextreme könnten bei ihren Aktionen indirekt auf die Hilfe der Schweizer Medien zählen, dies in Form einer intensiven Berichterstattung; die Medien ihrerseits versprächen sich davon, ihre Quoten zu steigern – ein heikles Wechselspiel. Die Thematisierung setze zwar die Politik unter Druck, Massnahmen zu ergreifen; eine fundierte Auseinandersetzung komme dabei jedoch zu kurz.