Demo mit Codewörtern

WochenZeitung

Rassismus-Am 1. Mai marschierten Rechtsextreme neben den ­Gewerkschaften. Sie kritisierten Kapitalismus und Globalisierung – und forderten die Ausschaffung von MigrantInnen.

Von Hans Stutz

Aarau, Interlaken, Küssnacht am Rigi, an diesen drei Orten waren Schweizer Rechtsextremisten am 1. Mai aktiv. An allen drei Orten verbanden sie Kritik an Kapitalismus und Globalisierung mit nationalistischen beziehungsweise rassistischen Vorstellungen. In Aarau bemerkten die organisierenden GewerkschafterInnen allerdings zuerst nicht, wer sich in ihren Kundgebungszug eingereiht hatte. Unter dem Transparent «Gemeinsam gegen Globalisierung. Wirtschaft für das Volk» lief eine Gruppe der «Nationalen Kräfte Aargau».

Gemäss einem Eintrag auf der Website der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) sind diese «Nationalen Kräfte Aargau» «ein Aktionsbündnis aus Exponenten der Pnos, der Schweizer Demokraten und freien Nationalen Aktivisten». Das Flugblatt war den Umständen entsprechend zurückhaltend formuliert und forderte die «Nationalisierung der Wirtschaft», womit nicht Verstaatlichung gemeint ist, sondern die protektionistische Abschottung. Antisemiten werden sich in ihren Vorstellungen bestätigt finden durch die Kritik der «Zinsherrschaft» und die Frage, ob «der Zins (Umverteilung von unten nach oben) wirklich ein Segen für die Menschheit» sei.

Bereits einige Tage vorher hatte die Pnos ein Flugblatt ins Netz gestellt, auf dem es hiess, der 1. Mai sei «der Kampftag der Arbeiterschaft gegen das nomadische Grosskapital». Wobei «nomadisch» auch hier als Codewort für «jüdisch» verstanden werden kann. Leichter zu dechiffrieren war die Forderung «Heimführung der Sozialdrücker und Billiglohnarbeiter» – was so viel heisst wie «arme Ausländer raus».

Demos vor «McDonald?s»

Flugblätter verteilten Pnos-Exponenten und «freie Aktivisten» auch in Interlaken, dazu entrollten sie vor den Filialen von «McDonald?s» und Benetton ein Transparent mit der an sich unterstützungswürdigen Forderung «freie Menschen statt freie Märk­te». In seinem Bericht über die Aktion kritisiert Mario Friso, Pnos-Sektionsvorsitzender Berner Oberland, zuerst, in den «McDonald?s»-Filialen würden «vorwiegend MigrantInnen und ArbeiterInnen ohne Berufsbildung zu einem Hungerlohn angestellt». Grobschlächtig rassistisch begründet Friso hingegen die Kundgebung gegen den Kleiderfabrikanten (Slogan: «United Colours of Benetton»), dieser Konzern stehe «für Völkermischung und die Zersetzung organisch gewachsener Völker und Rassen» und sei «Inbegriff der kulturellen und völkischen Bastardisierung und Ausbeutung von Minderheiten».

Auch in Küssnacht am Rigi nahmen die Pnos-Exponenten Rücksicht auf die lokalen Gepflogenheiten. In die Briefkästen steckten sie ein Flugblatt mit der Parole «raumorientierte Volkswirtschaft gegen internationales Grosskapital». Den Kapitalismus kritisierten sie hier aus gewerblicher Sicht: «Heimische Betriebe werden durch die herrschende Politik dem internationalen Preisdruck schutzlos preisgegeben.» Einerseits riefen sie dazu auf, bei den «nächsten Besorgungen mal die heimischen Dorfbetriebe den internationalen Grossunternehmen» vorzuziehen, andererseits forderten sie auch die «Absage an die multikulturellen Wahnvorstellungen und somit Rückführung der Billiglohnarbeiter».

Seit dem 11. September 2001

Die Schweizer Rechtsextremisten bewegen sich mit diesen Aktionen in bekannten politischen Bahnen. Bereits im Frühjahr 2004 hatte der deutsche Autor Anton Maegerle in seinem Buch «Globalisierung aus Sicht der extremen Rechten» festgestellt, dass sich der deutschsprachige Rechtsextremismus seit dem 11. September 2001 «systematisch zur Globalisierung» geäussert habe. Massenarbeitslosigkeit und soziale Not würden von den «Gegnern der Demokratie, Gewaltenteilung und Menschenrechten» instrumentalisiert. Über das Vehikel der Angst vor dem sozialen Abstieg sollten nationalistische Ziele vorangetrieben werden. In diesem Nationalismus vereinigen sich Fremdenhass, Agitation gegen fremde Kultureinflüsse und Polemik gegen Überfremdung durch eine multikulturelle Gesellschaft.