Rufschädigende Plakate gegen Beizen-Inhaber

Landbote NEWS vom Mittwoch, 23.Jun 1999: Unbekannte verunglimpfen gewisse Lokale als Treffpunkte von Rechtsradikalen 

Auf Plakaten wird einigen Winterthurer Beizen unterstellt, sie würden bewusst Rechtsradikale dulden. Die Urheberschaft der Affichen dürfte bei den Linksautonomen zu finden sein. Aber auch sonst rumort es zwischen der linken und rechten Szene. 
 

(thl)

Seit vergangener Woche hängen an zahlreichen Orten in der Innenstadt Plakate, auf denen Winterthurer Lokale und deren Besitzer namentlich angeprangert werden. Die Affichen weisen darauf hin, dass in Winterthur vermehrt «Faschoskins» anzutreffen seien, welche «Andersdenkende» auf offener Strasse angreifen würden und sich nach solchen Übergriffen in «ihren» Kneipen versteckten. Lokale wie das «Shooters», «Amstel Café», «Piccadilly’s», «Jacks’s Café» und «Hardy’s» geben ? laut Plakaten ? den Rechtsradikalen «die Möglichkeit sich zu treffen, Leute zu rekrutieren, Propaganda zu verteilen und Aktionen zu planen». Dadurch würden sich diese Lokal-Betreiber «mitschuldig» machen.

Wer hinter den rufschädigenden, nicht gezeichneten Affichen steht, ist der Stadtpolizei nicht bekannt. Laut Mediensprecher Peter Gull wird «im Moment» nichts unternommen. Die Plakate dienten aber «zur Lagebeurteilung». Bei den Organisatoren der «Demonstration gegen rechtsextreme Gewalt» heisst es: «Wir haben nichts mit der Aktion zu tun und unterstützen sie auch nicht.» Auch die Autonomen im besetzten Haus an der General-Guisan-Strasse weisen die Verantwortung von sich, merken indes an, die Plakate enstammten schon ihrer politischen Ecke.

Bei den angegriffenen Lokalbetreibern hat das Plakat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. «Mit diesem Plakat machen sie sich selber lächerlich», meint O. S., Geschäftsführer des «Hardy’s». Für ihn ist das Thema schon längst vom Tisch: Er hatte die Streitereien zwischen Punks und Rechtsradikalen satt und hat deshalb vor dreiviertel Jahren beiden Gruppierungen Hausverbot erteilt. Als «völligen Unsinn» bezeichnet Roger Schärer, Besitzer des «Shooters», die Anwürfe, sein Lokal sei ein Treffpunkt der rechten Szene. Seine Stammgäste würden darüber lachen. Gleichwohl wird Schärer voraussichtlich gegen die unbekannten Urheber der Plakataktion Strafanzeige einreichen.
 

Alle willkommen

Gelassen nimmt Gastro-Prinz Yves Sauter, Besitzer der kritisierten Lokale «Gotthard», «Amstel Café» und «Jack’s Café», die Plakataktion. In seinen Gaststätten duldet er keine grösseren Ansammlungen von Vertretern einer Randgruppe wie Rechtsextremen, zumal dadurch die anderen Gäste verängstigt würden. Grundsätzlich sind Sauter aber alle willkommen, solange sie sich anständig verhalten. Auf den gleichen Standpunkt stellt sich auch die «Piccadilly’s»-Inhaberin Katharina Stippe. Zudem ist sie der Ansicht, dass man den Gästen doch nicht ansehe, ob sie rechtsextrem seien. «Ich kann die Gäste doch nicht nach nach ihrer Gesinnung fragen.» Isabella Kunz, die Barmaid im «Piccadilly’s», ist da allerdings anderer Ansicht: «Die Rechten sind diejenigen mit den Glatzen und den Springerstiefeln. Das sieht man denen einfach an.» Am vergangenen Freitag ist es laut Kunz im «Piccadilly’s» zwischen Punks und Rechtsradikalen zu einer Schlägerei gekommen. Dem Personal gelang es, die Streithähne aus dem Lokal zu vertreiben. Bekanntlich hat dann am Samstag nochmals eine tätliche Auseinandersetzung zwischen Skins und Punks stattgefunden, bei der fünf Personen verletzt wurden (siehe «Landboten» vom Montag).  Und die Welle der Gewalt könnte am nächsten Wochenende beim Albani-Fest eine Fortsetzung finden. Man erinnert sich: Vor Jahresfrist sind sich Angehörige des linken und rechten Lagers auf dem Bahnhofplatz in die Haare geraten. Die Polizei griff mit einem Grossaufgebot ein. Auf allen Seiten gab es Verletzte. Ähnliches könnte sich heuer während des Festes wiederholen. Jedenfalls hat gestern ein anonymer Anrufer den «Landboten» darauf hingewiesen, dass seitens der rechten Szene Drohungen laut geworden sind. Gemäss Polizeisprecher Peter Gull wird die Polizei mit einem «grösseren Aufgebot» am Albani-Fest zugegen sein, um bei allfälligen Raufereien einschreiten zu können.