Reichsbürger bekämpft den Staat – will aber von ihm Unterstützung

Sonntagszeitung.

Das Geld soll für die Verbreitung von rechtsextremer Propaganda verwendet werden.

Es gebe einen grossen Plan zur Auslöschung Europas und zur Vernichtung Deutschlands, behauptet der Moderator der Internet-Fernsehsendung. Detlev Hegeler sitzt in einem schwarzen Ledersessel vor braunem Hintergrund und blickt abwechslungsweise in einen unsichtbaren Bildschirm und dann wieder in die Kamera. Hinter ihm eingeblendet werden Prophezeiungen, angeblich schon fast hundert Jahre alt, laut denen eine «jüdisch-aristokratische Rasse» dereinst Europa beherrschen werde.

Der Deutsche Hegeler sieht solche apokalyptischen Vorstellungen durch die jüngere Geschichte bestätigt. Der Zustrom von Flüchtlingen und Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten führe in Europa zu einer furchtbaren Gesellschaftsveränderung, «die in der Vernichtung der hiesigen Ureinwohner enden soll». Das sei «die seit langem geplante Ausdünnung und Vermischung der Rassen, hin zu einer braunen Mischrasse mit niedrigem Intelligenzquotienten». Hinter diesen schrecklichen Plänen stehe die sogenannte Weltelite, die mit den Besatzungsmächten zusammenarbeite – vor allem mit den USA. Die Hintermänner seien alles Juden, unter ihnen der Financier George Soros, der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger oder die Bankiersfamilie Rothschild.

Diese Nazipropaganda verbreitet der Reichsbürger Hegeler ungestört aus seiner Wohnung in Kleinbasel. Die Hetzvideos auf ­seinem Youtube-Kanal wurden bisher mehr als drei Millionen Mal angeklickt. Bereits 2009 hat Hegeler eine Website für TV- und Radiosendungen registriert. 98,5 Prozent der Klicks auf seiner Facebook-Seite kommen aus Deutschland. Das legt die Vermutung nahe, dass Hegeler die liberale Gesetzgebung der Schweiz missbraucht, um sein braunes Gift von Basel aus über die nahegelegene deutsche Grenze zu verspritzen. In Deutschland würde ihm möglicherweise der Verfassungsschutz das Leben schwer machen, doch gibt es in der Schweiz keine vergleichbare Behörde.

Die Schweiz sei kein Staat, sondern eine Firma

Hegeler, der nach eigenen Angaben seit 1994 in der Schweiz lebt und sich heute Journalist nennt, ist ein sogenannter Reichsbürger. Für ihn ist die Schweiz kein Staat, sondern eine Firma, die Menschen tyrannisiert und terrorisiert. Dass ihm dieser böse Staat, den er gar nicht anerkennt, offenbar jahrelang mit Sozialhilfe unter die Arme gegriffen hat, scheint Hegeler nicht weiter zu stören.

Die Basler Sozialhilfe wiederum hat wohl nicht bemerkt, dass der Staatsleugner in seinen Sendungen und diversen sozialen Medien massiv dafür wirbt, ihm mit Spenden seine «journalistische Arbeit» zu ermöglichen. Spenden betrachtet das Sozialamt als Geschenke, also Einkommen, das den Behörden gemeldet werden muss. Ausserdem verkauft Hegeler über einen Onlineshop CDs, DVDs und T-Shirts mit dem Aufdruck «Ich bin Mensch und keine Person!». Auch Utensilien für das Überleben in der freien Natur bringt der rührige «Journalist» auf diese Weise unter die Leute – wohl für den Fall, dass die Juden oder die dunkelhäutigen Migranten mit dem «niedrigen Intelligenzquotienten» doch noch die Macht in Europa übernehmen.

AHV-Vorbezug bringt Hegeler monatlich 870 Franken

Spenden kann man überweisen, unter anderem auf das Postfinance-Konto des «Vereins zur Förderung internationaler freier Medien» in Basel, wobei dieses Vehikel im Handelsregister nicht eingetragen ist. Ein Vereinskonto bei Postfinance zu eröffnen, ist ein Kinderspiel. Dazu braucht es nur die Vereinsstatuten und ein Protokoll, das darüber Auskunft gibt, wer den Verein nach aussen vertreten darf. Nach erfolgter Identifikation kann diese Person dann den Basisvertrag unterschreiben und das Konto eröffnen.

Im Dezember wurde Hegeler 63 Jahre alt. Damit konnte er eine Frührente beziehen – schon zwei Jahre vor Erreichen des AHV-Alters. Dieser sogenannte AHV-Vorbezug spielt dem Reichsbürger nun pro Monat rund 870 Franken in die Kasse. Weil er damit aber nicht leben kann, hat Hegeler rechtzeitig AHV-Ergänzungsleistungen beantragt und auch bewilligt erhalten.

Spenden seien für «Aufklärungsarbeit» bestimmt

Laut seiner eigenen Aussage kam das Geld im Januar noch, doch wegen eines anonymen Hinweises wurden die Behörden auf Hegelers Spendensammlung aufmerksam. Sie forderten Einblick in seine finanziellen Aktivitäten, die ihnen der Reichsbürger aber verwehrte. Begründung: Alle Spenden und Verkaufserlöse seien ausschliesslich für seine Aufklärungsarbeit und nicht für ihn persönlich bestimmt.

Das Basler Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt verfügte daraufhin Ende Januar, dass die Unterstützungsleistungen für den Reichsbürger ab sofort eingestellt würden. Dagegen protestiert der Staatsleugner aufs Schärfste. Ihm stehe ein gesetzlich garantierter Lebensbedarf zu. Das Sozialamt wolle ihn nun aushungern wie im Mittelalter. Hegeler findet dadurch seine Überzeugung bestätigt, wonach der Staat – Pardon: die Firma — ihn terrorisiere, weil er die Öffentlichkeit über die dunklen Machenschaften des «Systems» aufkläre. Und dieses System führe jetzt auch in der Schweiz den Kampf gegen unabhängige und aufklärende Medien wie Hegelers Sendungen.

Den Beweis, dass er im Internet Spenden für sich selbst sammelt, liefert der Verschwörungstheoretiker dann gleich selbst: Er brauche Geld für seinen Anwalt, mit dem er den Rechtsstreit um die Ergänzungsleistungen notfalls bis vor Bundesgericht tragen werde. Und auch für die Miete sei er auf Spenden angewiesen. Ansonsten drohe die Kündigung der Wohnung, was das Aus für seine journalistische Arbeit bedeute.

Dann schreibt er weiter: «Ein grosser Aufschrei, ein Zusammenfinden aller, die diese Tyrannei nicht mehr wollen, ist nötig! (…) Wenn wir nichts und das nicht baldig unternehmen, geht alles seinen schrecklichen Lauf, es wird Blut und Leichensaft die Bordsteine herunterfliessen, es wird ein Schrecken ohne Ende geben. Hier nun bitte ich um eure Hilfe und Unterstützung!»