Rechtsextremismus

BernerZeitung

Deutsche Worte – und Taten

Berlin hat der Kampfansage gegen rechte Gewalt Taten folgen lassen und zwei Skinhead-gruppen verboten. Dennoch neigen viele politisch Verantwortliche dazu, die Situation zu verharmlosen.

*Helmut Uwer, Berlin

Die Musik der Skinheadbands spiele eine grosse Rolle «bei der Vergiftung der Köpfe und Herzen», sagte Innenminister Otto Schily (SPD) zur Begründung des Verbots der beiden neonazistischen Organisationen «Blood & Honour» und «White Youth» (BZ von gestern). Die circa 200 Mitglieder zählende Organisation «Blood & Honour» gilt als einer der grössten Veranstalter von Konzerten mit rechtsextremistischen Bands. In den letzten Jahren hat die Zahl von Konzerten mit Neonazibands stark zugenommen. 1999 wurden rund hundert davon registriert. Ein Viertel davon wurde von der deutschen Division von «Blood & Honour» organisiert. Die Namen der Bands lauten «Gestapo», «Volksverhetzer» oder «Zyklon B». In ihren Liedern grölen sie «Deutschland den Deutschen» oder «Raus mit den Ausländerhuren». In andern Songs heisst es «Punker klatschen ist gesund».

«Blut und Ehre»
«Blood & Honour» wurde 1987 durch den britischen Rockmusiker Ian Stuart Donaldson gegründet. Seine Fans behaupten nach wie vor, dass der 1993 bei einem Verkehrsunfall getötete Donaldson Opfer einer jüdischen Verschwörung geworden sei. «Blood & Honour», die englische Übersetzung der SS-Devise «Blut und Ehre», wurde 1994 in Deutschland aktiv.
Die Organisation, die sich als Orden der weissen Rasse versteht, ist in über zwanzig Ländern aktiv, darunter der Schweiz, Skandinavien, der Ukraine, Serbien, in Neuseeland oder in Brasilien. Die deutsche «Division» pflegte Kontakt vor allem zu den USA, wo Gesinnungsgenossen über das Label «Panzerfaust Records» beim Vertrieb einschlägiger CDs behilflich waren.
«White Youth» ist die Jugendorganisation von «Blood & Honour», in der man «erst» mit 21 Jahren Mitglied werden kann. «White Youth» wurde 1997 in Thüringen gegründet und zählte zuletzt 100 Mitglieder. «Blood & Honour» hatte enge Kontakte zur rechtsradikalen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschland), die die Bundesregierung verbieten lassen möchte. Dafür zuständig ist allerdings das Bundesverfassungsgericht.
Seit 1945 sind erst zweimal Parteien verboten worden: 1952 die rechtsradikale Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). In den letzten acht Jahren sind jedoch mehrfach rechtsradikale Organisationen verboten worden, die keinen Parteienstatus hatten.

Verharmlosung
Dieser Entschlossenheit auf Bundesebene steht eine Tendenz zur Verharmlosung auf Länder- und noch mehr auf Kommunalebene entgegen. Während der offizielle Bericht der Bundesregierung «nur» 26 Opfer rechtsradikaler Gewalt auswies, haben die «Frankfurter Rundschau» und der «Tagesspiegel» in Berlin 93 Fälle mit Todesfolge recherchiert. Innenminister Otto Schily hat inzwischen Erfassungsdefizite eingeräumt. Eine Expertengruppe soll nun einheitliche Kriterien für alle Bundesländer erarbeiten. Vor allem Bürgermeister von kleinen Dörfern in Ostdeutschland neigen zur Verharmlosung, um den angekratzten Ruf ihrer Gemeinde nicht noch weiter zu verschlechtern. Laut «Tagesspiegel» sind in Brandenburg sogar Statistiken geschönt worden, damit das Land nicht stärker in den Ruf einer braunen Hochburg kommt.*