Rechtsextremismus

BernerZeitung

Keine Privatsphäre für Skinheads

Nach dem «Rütli-Auftritt» von Neonazis will Bundesrätin Ruth Metzler die Antirassismus-Strafnorm überprüfen lassen.
Fachleute widersprechen nicht, verlangen aber weitergehende Anstrengungen.

* Franz Hophan

Der martialische Auftritt von über 100 Skinheads auf dem hochsymbolischen Rütli-Gelände hat geschafft, was weder der jüngste Staatsschutzbericht noch die zahlreichen Übergriffe von Rechtsradikalen in der jüngsten Vergangenheit erreichten: Der Rechtsextremismus wird in der Schweiz zum öffentlichen Diskussionsthema.

«Sorgfältige Überprüfung»
Nach Bundespräsident Adolf Ogi und diversen Politikern hat jetzt auch die zuständige Justizministerin Ruth Metzler reagiert. Die Entwicklung bereite ihr grosse Sorgen, sagte sie in einem gestern erschienenen Interview im «Blick». Die aktuelle Situation erfordere «eine sorgfältige Überprüfung» der Antirassismus-Strafnorm. Vor allem was die Grenze zwischen öffentlichen Auftritten und privaten Anlässen von 200 bis 300 Leuten betreffe. Zu prüfen sei auch, wie Propaganda-Auftritte mit rassistischen Gebärden und Emblemen unterbunden werden könnten. Gesetzesänderungen allein genügten aber nicht, sagte die Justizministerin, wichtig sei auch die internationale Bekämpfung. Eine Änderung der Antirassismus-Strafnorm sei weder im Gang noch geplant, präzisierte Viktor Schlumpf, Informationschef des Justiz- und Polizeidepartementes, gestern gegenüber der BZ. Es gehe primär um die Anwendung des geltenden Gesetzes, diese soll in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Polizei überprüft werden. Was nach dieser Überprüfung geschehe, bleibe offen, sagte Schlumpf.

Mitgliedschaft verbieten?
Die Antirassismus-Strafnorm sei «an sich griffig», meint der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli, der die Pläne der Justizministerin als «sinnvoll» bezeichnet. Abgrenzungsprobleme schaffe vor allem die Tatsache, dass der Privatbereich vom Gesetz nicht erfasst werde. Bei privaten Anlässen, auch wenn es sich um eindeutige Neonazi-Propaganda handle, seien polizeiliche Ermittlungen nicht möglich. Im konkreten Fall sei es für die Polizei schwierig, zwischen einer öffentlichen Propaganda-Aktion und einem blossen «Bekenntnis», das durch die Meinungsäusserungsfreiheit geschützt sei, zu unterscheiden, sagt Niggli. «Schliesslich kann bei uns jeder ungestraft sogar mit einer Hakenkreuzbinde herumlaufen.» Den grössten Mangel sieht der Strafrechtsexperte darin, dass die Gründung oder Mitgliedschaft in einer rassistischen und rechtsextremen Vereinigung nicht strafbar sind. Er regt daher eine entsprechende Ergänzung des Artikels 275ter des Strafgesetzbuches an, in dem die staatsgefährdenden Vereinigungen aufgelistet sind. Damit, meint Niggli, «könnte die Polizei zumindest ermitteln».

Politik soll Farbe bekennen
Auf der politischen Ebene aktiv werden will die Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK). An der nächsten Sitzung vom 16. August werde sie die Situation mit der Bundespolizei besprechen, sagt ihr Präsident, der Luzerner CVP-Ständerat Franz Wicki. Er persönlich möchte den Gesamtbundesrat zu einer Stellungnahme veranlassen: «Die Politik muss klarmachen, dass es ihr ernst ist mit dem Kampf gegen die rechte Gewalt.» Eine Gesetzesänderung wäre für Wicki die ultimo ratio, er setzt vor allem auf Prävention durch Aufklärung und Information der Jugendlichen.

«Distanz markieren»
«Die polizeiliche Aufsichtsbehörde ist gefordert, aber das Problem kann nicht einfach an den Staat delegiert werden», meint auch der Basler Geschichtsprofessor und Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Georg Kreis. Er verlangt von den Parteien eine klare Sprache und von den «ordentlichen Bürgern», dass sie dort, wo sie leben und tätig sind, klare Distanz zum rechtsextremen Milieu markieren. Angesprochen fühlen sollten sich laut Kreis vor allem die Exponenten der SD, der SVP und des rechten Flügels der FDP. In akuten Situationen wie der Aktion auf dem Rütli hätte man von ihnen eine Stellungnahme erwarten dürfen.

Mehr Prävention
Neben dem ethischen und staatspolitischen Ansatz müsse – ohne die Aussicht, je eine heile Welt herstellen zu können – auch Ursachenbekämpfung betrieben werden, fordert Kreis. Geeignete Wohnverhältnisse und gute berufliche Perspektiven könnten Jugendliche, die wesentlichen Träger der rechtsextremen Bewegungen, von diesem Milieu abhalten. Störend ist es für den Präsidenten der Kommission gegen Rassismus, dass der Staat «mit grösster Selbstverständlichkeit» Präventionskampagnen gegen Suchtgefahren und Aids finanziert, aber keine Mittel zur Bekämpfung des Rassismus bereitstellen will. * © by BernerZeitung BZ 1999 all rights reserved