Rechtsextreme in Grenchen

BernerZeitung

Wie es in der Nacht auf Sonntag in Grenchen zu der Schlägerei zwischen Rechtsextremen und Ausländern gekommen war, schien bisher unklar. Jetzt schildert ein Opfer – ein junger Türke – den Hergang aus seiner Sicht.

Der 20-jährige Grenchner Mustafa G.* wollte eigentlich nur einen gemütlichen Fernsehabend machen. «Um halb eins rief mich dann mein Bruder an und sagte mir, ich solle ihm helfen kommen», erinnert sich der junge Türke. Sein 15-jähriger Bruder von Mustafa war mit Kollegen im Mc Donald?s Restaurant, als plötzlich sechs Rechtsextreme das Lokal betraten, ihn und seine Kollegen anpöbelten und bedrohten. Verängstigt flüchtete der 15-jährige auf die Toilette und schloss sich dort zusammen mit seinen Freunden ein. Minuten später traf Mustafa beim Mc Donalds ein: «Gerade als ich die Türe öffnen wollte, verliessen 5 Typen zwischen 20 und 30 Jahren mit Glatze und Springerstiefel das Restaurant, sie beachteten mich scheinbar nicht.» Hinter ihnen folgte ein jüngerer, normal gekleideter Mann ohne Glatze. «Dieser packte mich am Arm und fragte mich in Basler Dialekt: Woher kommst du? Dann rief er seine Kollegen», erzählt Mustafa.

Erfolgloser Fluchtversuch

Anstatt zu antworten verpasste Mustafa ihm einen Faustschlag und versuchte in das Restaurant zu flüchten und die Türe zuzuhalten. Erfolglos. Mustafa rutschte aus, stürzte zu Boden. Seine Verfolger fielen im Fast-Food-Lokal über ihn her und prügelten mit Füssen und Fäusten auf ihn ein. Keine ernsthaften Verletzungen, aber Schürfungen und Prellungen erinnern ihn an die schmerzhafte Begegnung mit den Rechtsextremen.

Auf die Frage, ob er psychisch unter dem Vorfall leide, winkt er ab: «Ach was, von solchen Deppen lasse ich mich doch nicht einschüchtern.» Auf eine Anzeige verzichtet er: «Das bringt sowieso nichts.» Später in der Stadt hab er sich persönlich gerächt, erzählt er: «Beim Postplatz begegnete mir der Nachwuchsnazi, der mich beim Mc Donalds gepackt hatte. Allein. Offenbar wollte er der Polizeikontrolle beim Postplatz entgehen. Ich habe die Chance gepackt und ihm ?einen zentriert?.»

Vorher Mut angetrunken

Bevor die rund 30 Personen aus dem rechten Lager in Gruppen durch die Stadt zogen, «Ausländer raus» skandierten und Leute anpöbelten, feierten sie im Britannia Pub mit reichlich Alkohol. «Für mich waren das eher dumme Möchtegern-Rechts extreme», sagt Claudio Naglieri, der am Samstag Abend im Britannia Pub an der Bar arbeitete. Mit steigendem Alkoholpegel hätten die ungebetenen Gäste immer mehr gestört und die anderen Gäste vertrieben, so Naglieri, bis er die Polizei rufen und die Rechtsextremen des Lokals verweisen musste.

Was die Rechtsextremen, die offenbar aus allen Teilen der Schweiz stammen, nach Grenchen geführt hat, ist nach wie vor unklar. Gerüchte, wonach sie den Geburtstag eines in Grenchen lebenden Rechtsextremen feiern wollten, wurden bislang nicht bestätigt. Schon vor drei Jahren feierten Dutzende von Rechtsradikalen in der Nähe von Grenchen am ersten Dezemberwochenende ein Fest und machten anschliessend in der Stadt Jagd auf Ausländer.

Patrick Studer