Plötzlich nimmt die Gewalt überhand

Berner ZEitung

26. Februar 2002Rechte schimpfen über Ausländer und Andersdenkende, Linke möchten Nazis mit dem Traktor totfahren: Im Gästebuch der Aktion Courage – «Für Menschen gegen Gewalt» – regiert unverhohlene Gewalt. Stephan Künzi Im virtuellen Gästebuch ists aus mit dem Motto «Für Menschen – gegen Gewalt». Das geben sogar die Verantwortlichen der Aktion Courage zu, jene Leute aus Burgdorf also, die der Gewalt in ihrer Stadt den Kampf angesagt haben. Da tönt der Internet-Eintrag eines nicht näher bezeichneten rechts denkenden «Anti Anti Fa aus Israel» noch vergleichsweise harmlos: «Anti Anti Fa» ruft auf zu einer «Lichterkette gegen Kommunismus und Gewalt von links» – und hält so dem linken «Bündnis gegen rechts» entgegen, das ein paar Einträge früher zum «kraftvollen, lautstarken antifaschistischen Abendspaziergang» aufgerufen hat.«Mir ist nicht wohl»Es kommt noch dicker. Die Rechten schimpfen über «linke Schweine» und lassen sich gehässig über Ausländer und Andersdenkende aus, die Linken reden von «Scheiss-Nazis» und rufen dazu auf, an deren Autos «eine kleine Sympathienote» anzubringen. Zuweilen ist die Gewalt ganz unverhüllt: «Ein Nazi steht im Walde, ganz still und stumm. Da komm ich mit dem Trecker, und fahr? ihn um. Hui, macht das Spass, Rückwärtsgang und nochmals Gas.»«So macht es keinen Sinn, ein Internet-Gästebuch zu führen.» Das Urteil von Gemeinderätin und Courage-Mitinitiantin Elisabeth Zäch ist klar. Gut, vielleicht sei es ja nicht nur schlecht, ein Ventil zum Dampfablassen zu bieten. Aber: Die allseits spürbare Gewalt «läuft dem Gedanken von Courage entgegen.»In die gleiche Richtung denkt Psychologe Franz Käser, der zu den treibenden Kräften von Courage zählt, seit der Gemeinderat die Aktion an Private übergeben hat. «Es gibt ganz klar Beiträge, bei denen mir nicht wohl ist», erklärt er. Und sucht nach einer Erklärung, wieso es überhaupt so weit gekommen ist. «Wir befinden uns in einem Vakuum, niemand ist für den Internet-Auftritt richtig zuständig.» Im März werde man im grösseren Kreis Courage auf eine neue Basis stellen und dabei auch über Regeln und eine Aufsicht über das Gästebuch reden. Vielleicht sei es auch besser, das Buch zu schliessen.Dem Ruf nicht geschadetDem Ruf von Courage haben die ominösen Einträge, die zum Teil schon seit Monaten so stehen, nicht geschadet. So haben es die Burgdorfer unlängst geschafft, für den Prix Courage des «Beobachters» nominiert zu werden. Im Gästebuch geblättert hat dort allerdings niemand.