«Nichts Böses dabei gedacht»: Rheintaler Sternsinger färben ihre Gesichter schwarz – und entfachen eine Blackfacing-Debatte

St.Galler Tagblatt. Im Rheintal verkleiden sich Sternsinger meist noch ganz traditionell als Caspar, Melchior und Balthasar. Weil einer der Heiligen Drei Könige vagen Überlieferungen zufolge schwarz gewesen sein soll, gehört zur authentischen Kostümierung auch das Färben des Gesichts. Ob das noch zeitgemäss ist? Darüber scheiden sich im Rheintal die Geister.

Mit bunten Gewändern, Kronen und einem Stern ausgerüstet sind in der vergangenen Woche die Kinder durchs Rheintal gezogen, haben Häuser gesegnet und Geld für einen guten Zweck gesammelt. Eine Tradition, die aufgrund schwarz gefärbter Gesichter, um einen der König darzustellen, immer wieder Aufsehen erregt. Denn: Was für viele Menschen eine geliebte Tradition ohne böse Absichten ist, sehen andere eher kritisch. Von Rassismus und der Verbreitung von Vorurteilen ist die Rede.

Geschichte, Überlieferung oder Volksglaube

«Absurd» findet Roman Ammann, der die administrativen Aufgaben des Sternsingens von Kobelwald-Hub-Hard übernimmt. Er sagt: «Hier wird politische Korrektheit an den Haaren herbeigezogen, wo sich niemand etwas Böses dabei ge­dacht hat.» Schliesslich gehe es nicht um eine Fasnachts-, sondern um eine historische Figur, betont er und fügt hinzu: «Uns geht es in keiner Art und Weise darum, etwas ins Lächerliche zu ziehen, sondern darum, den guten Gedanken, dass Kinder sich für andere einsetzen, weiterzutragen.» Schliesslich wolle man mit dem Schminken des Königs lediglich eine überlieferte Geschichte nachstellen.

Je nach Übersetzung sucht man in der Bibel vergeblich nach den Heiligen Drei Königen. Stattdessen ist oft von Magiern, Weisen und Sterndeutern die Rede. Erst der Volksglaube machte sie zu Königen, gab ihnen Namen und verbreitete im späten Mittelalter deren Darstellung als Repräsentanten der damals bekannten Kontinente Europa, Asien und Afrika – deshalb wurde einer der Könige als schwarzer Mann dargestellt. Die Sternsinger und Sternsingerinnen nahmen sich diese Darstellung zum Vorbild und malten das Gesicht eines der Kinder fortan ebenfalls schwarz an.

Obwohl «Blackfacing» nichts mit dem Schminken beim Sternsingen zu tun hat, wird es von einigen Menschen damit in Verbindung gebracht. Im Rheintal wird mancherorts deshalb auf das Schwärzen der Gesichter verzichtet. In Heerbrugg werden die Sternsinger-Kinder schon seit einigen Jahren nicht mehr geschminkt. «Wir halten es für unnötig und nicht für politisch korrekt. Die Kinder können so gehen, wie sie sind», sagt Reinhard Paulzen, Pfarreibeauftragter in Heerbrugg.

Kein Zwang, sich das Gesicht zu schminken

Auch Montlingen, Eichenwies, Rebstein und Marbach verzichten darauf. «Bei uns wird nicht klar definiert, wer welchen König darstellt. Es sind einfach drei Sternsinger, die für einen guten Zweck von Tür zu Tür gehen. Sie verkleiden sich nicht als Afrikaner oder Asiate», sagt Alice Steiger vom Katholischen Pfarramt Marbach.

Ganz anders verhält sich die Situation in Lienz. Bernadette Haefelin, die Verantwortliche fürs Sternsingen, erklärt, dass man sich bewusst für die Fortführung der Tradition entschieden hat. Sie begründet dies damit, dass nicht alle Menschen auf der Welt hellhäutig sind, sondern unterschiedliche Hautfarben haben: «Das wol­len wir mit den drei Königen darstellen. Schliesslich sieht man das in jeder Krippe.» Einen Zwang zum Schminken gibt es aber nicht, wie Haefelin sagt: «Jedes Kind darf selbst entscheiden.» Ähnlich ging man in Balg­ach vor. Auch dort war die Debatte ums Schminken im Vorfeld für die Verantwortlichen kein Thema.

Das Internationale Katholische Missionswerk der Schweiz, Missio Schweiz, hat Anfang Jahr in einem Interview mit dem Nachrichtenportal kath.ch den Verantwortlichen der Sternsinger-Aktionen dazu geraten, die Kinder nicht zu schminken, da diese Tradition heute nicht mehr überall verstanden werde. Ein Verbot gibt es aber nicht.