Neonazi-Schund aus Girliemund

SonntagsZeitung

Mit der Teenie-Group Prussian Blue zielen US-Rechtsextreme auf den Pop-Mainstream

Von Christian Hubschmid

Harmloser gehts nicht: eine Gitarre klimpert, eine Geige kratzt, und zwei zittrige Mädchenstimmen trällern eine liebliche Melodie. Umso schockierender ihre Worte: «Aryan man awake, how much more will you take, turn that fear to hate»: Arier erwache, wie viel willst du dir noch gefallen lassen, verwandle deine Angst in Hass.

Die kalifornische Girlgroup Prussian Blue besteht aus zwei blonden Engeln mit Zahnspange und Smiley-T-Shirt. Nur, dass bei Lamb und Lynx Gaede der grinsende Smiley ein Hitler-Schnäuzchen trägt. Das Signal lässt einen erschaudern: War Onkel Adolf nur ein Popstar? Die 13-jährigen Zwillingsschwestern wollen es jedenfalls werden – um beim Teenage-Publikum Nachwuchs für die Neonazi-Szene zu rekrutieren.

Rudolf Hess wird als Friedensstifter verehrt

Prussian Blue verbreiten in ihren reizenden Folksongs das rassistische Gedankengut der White-Power-Bewegung: Klagen über die angebliche Unterdrückung der weissen Rasse, Durchhalteparolen bis zum Endsieg und viel Nostalgisches zum Zweiten Weltkrieg, unter anderem ein Loblied auf Rudolf Hess: «Rudolph Hess, man of peace, he wouldn?t give up and he wouldn?t cease.»

Diese Mischung aus Geschichtsklitterung und Rassismus traut man 13-jährigen Mädchen nicht zu. Offensichtlich sind die beiden Teufelchen ein Produkt ihrer Mutter. Ms. Gaede ist aktives Mitglied der National Alliance, einer der grössten Neonazi-Gruppierungen der USA. Gegründet wurde die National Alliance von William Pierce, dem Autor des berüchtigten Buches «The Turner Diaries». In dem Roman wird offen zum «Rassenkrieg» aufgerufen, und es soll dem Anschlag auf das Verwaltungsgebäude von Oklahoma City 1995 als Vorlage gedient haben, bei dem 168 Menschen ums Leben kamen. Nachfolger des 2002 verstorbenen Pierce ist Erich Gliebe, der Chef des Nazi-Rock-Labels Resistance. Prussian Blue sind bei Resistance unter Vertrag.

Das Zielpublikum von Prussian Blue wird von der Plattenfirma klar definiert: «young girls and boys worldwide». White-Power-Rock ist noch immer eine Underground-Industrie. Rechtsextreme Heavy-Metal-Bands mit aggressiven Outfits schrecken das Mainstream-Publikum eher ab. Erst in ihrer folkigen Version klingen Hasssongs von Neonazi-Bands wie Skrewdriver und Rahowa plötzlich ganz nett.

Wie stark die unschuldige Aura von Prussian Blue täuscht, zeigen auch die Interviews von Lynx und Lamb: «Es werden nicht genug weisse Babys geboren, um uns zu ersetzen.» Die Ermordung von sechs Millionen Juden halten sie für eine Übertreibung, Hitler, behaupten sie, hatte «gute Ideen». Den Bandnamen beziehen sie auf «den Mangel an Preussenblau, dem Rückstand von Zyklon B, in den so genannten Gaskammern». Aus Sicht der Mädchen ein Beweis für den «Holocaust-Mythos».

Die Mutter ist mit den Zwillingen untergetaucht

Die amerikanische Öffentlichkeit wurde durch einen Bericht von «ABC Primetime» am 20. Oktober auf die scheinheilige Girlgroup aufmerksam. Weitere Medienberichte folgten, und mehrere Menschenrechtler fordern nun, der Mutter sollten die Kinder weggenommen werden. Worauf diese erstmal untergetaucht ist. Lamb und Lynx geben keine Interviews mehr. Die Hitparade bleibt damit von Hits wie «I?ll Bleed For You» und «Aryan Man Awake» verschont. Vorläufig.