Mordspur führt in die Region

Oltner Tagblatt vom 15.11.2011

Derendingen Importierte Pistolen für Morde in Deutschland verwendet

Marco Sansoni

Die Spur einer Mordserie, welche in Deutschland aufgeklärt werden konnte, führt auch in die Schweiz, nach Derendingen. Gemäss bisherigen Ermittlungen wurde bei den «Dönermorden», die zwischen 2000 und 2007 begangen wurden, immer eine Waffe des Typs «Ceska 83» verwendet. Diese Waffe wurde mit dem Kaliber 7,65 Millimeter nur 24-mal produziert und ausschliesslich nach Derendingen geliefert. Dies berichtete die Sendung «10vor10» mit Verweis auf eine Folge von «Aktenzeichen XY» bereits vor anderthalb Jahren, als sich die Spur zum ersten Mal auf diesen Pistolentyp konzentrierte.

Zehn Personen brutal hingerichtet

Zwischen dem Herbst 2000 und dem April 2007 wurden so mit der betroffenen Waffe zehn Personen, vorwiegend türkische oder türkischstämmige Deutsche, ermordet. Auch Michèle K., eine Polizistin in Heilbronn, wurde mit einer der 24 «Ceska 83» tödlich verletzt.

Die Polizei tappte aber jahrelang im Dunkeln, bis am 4. November 2011 im deutschen Eisenach eine Sparkasse überfallen wird, wie der Tagesanzeiger gestern berichtete. Polizisten entdecken nach der Tat ein verdächtiges Wohnmobil, welches kurz vor dem Zugriff der Polizei in Flammen aufgeht. Im Fahrzeug finden Ermittler nach den Löscharbeiten Brisantes: Nebst zwei Leichen, jenen der mutmasslichen Bankräuber Uwe B. und Uwe M., werden Geldbündel aus Banküberfällen und Waffen entdeckt. Letztere gehören Michèle K. und ihrem Polizeikollegen, welcher das Attentat von 2007 zwar überlebte, sich aber an nichts mehr erinnern kann.

Derendinger Waffe in Zwickau

Am gleichen Tag fliegt am Eschenweg in Zwickau ein Mehrfamilienhaus in die Luft. Es ist die Wohnung von Uwe B. und Uwe M, welche darin mit der jungen Beate Z. lebten. Z. sprengte das Haus, rettete sich aber vorher selbst und taucht unter. In den Trümmern des Hauses findet die Spurensicherung ein Modell der «Ceska 83», welche die Mordwaffe der «Dönermorde» ist. Dies bestätigte die deutsche Generalbundesanwaltschaft gegenüber dieser Zeitung.

Diese Waffe wurde 1993 zusammen mit Schalldämpfern vom Derendinger Waffengeschäft «Luxik» importiert. Das Geschäft wurde zwar 2005 aufgegeben, der alleinige Inhaber konnte aber 24 registrierte Käufer angeben. In der Folge stellten die Schweizer Behörden 16 Waffen in der Schweiz sicher. Die restlichen acht Waffen blieben verschollen, bis nun in Zwickau eine der gesuchten Pistolen auftauchte. Mit Hinweis auf das Informations- und Datenschutzgesetz gab die Gemeinde Derendingen gestern nicht darüber Auskunft, ob Jan Luxik noch in der Gemeinde wohnt bzw. wohin er gezogen ist.

Beate Z. stellte sich nach einem Fahndungsaufruf bei der Polizei und komplettierte so die Spur. Die drei Personen, so stellt sich nun heraus, verkehrten jahrelang in der rechtsextremen Szene und sind dem Staat nicht unbekannt. Bereits Ende der Neunzigerjahre war Z. im Visier der Polizei. Enge Kontakte pflegte das Trio auch zum «Thüringer Heimatschutz». Der deutsche Verfassungsschutz erwähnt B., Z. und auch M. in einem Bericht 1998 als Mitglieder der Organisation. So ermittelt Deutschland nun auch nach innen und fragt sich, wie kriminelle Neonazis jahrelang unbemerkt morden konnten.