Liestal schweigt nicht länger

MittellandZeitung

Projekt Courage Liestal geht gegen Gewalt im öffentlichen Raum vor

Gewöhnliche Einwohner sollen in Liestal künftig mehr Mut haben, gegen Gewalt im öffentlichen Raum einzuschreiten: Liestal will dafür langfristig Projekte entwickeln.

Patrick rudin

Es sind äusserst ambivalente Gefühle, die beim Lesen von Polizeimeldungen zurückbleiben: So sollen bei der Schlägerei auf dem Liestaler Bahnhofsplatz am Tag vor Weihnachten auch Jugendliche dabeigewesen sein, die bereits früher beim brutalen Überfall auf den Coop-Pronto-Shop beteiligt waren. Im selben Atemzug betonen die Behörden, dass die «klaren» Urteile des Strafgerichtes abschreckend gewirkt hätten und deshalb die rechtsextreme Szene im Kanton sogar leicht verkleinert habe.

Mehr oder weniger unabhängig von diesen Vorfällen möchte Liestal das Gewaltproblem nun langfristig angehen. Was allerdings genau getan wird, ist noch völlig offen. «Es braucht nebst dem Staat auch Zivilcourage, nämlich das Engagement der Einwohnerinnen und Einwohner von Liestal», fasst Stadtrat Lukas Ott zusammen.

Zivilcourage fördern

Diese Zivilcourage soll nun mit dem Projekt «Courage» gefördert werden. «Es geht nicht nur um Aufmärsche von Rechtsextremen, sondern auch um schleichende Veränderungen im öffentlichen Raum. Die Einwohner sollen ermutigt werden, in der Öffentlichkeit couragiert aufzutreten. Und dazu wollen wir den Leuten auch helfen, Zivilcourage zu entwickeln», so Ott.

Er betont allerdings auch, das Projekt befinde sich noch in einem sehr frühen Stadium. «Am Dienstag bewilligte der Stadtrat den Projektbeschrieb in der ersten Lesung. Nun senden wir die Vorlage in die Vernehmlassung an das Komitee ?Liestal schweigt nicht?. Wir müssen dann schauen, ob sich die Vorstellungen decken», sagt Ott.

Die Bewegung «Liestal schweigt nicht» war im August 2000 gegründet worden, nachdem zuvor mehrere vermummte Skinheads durch Liestal gezogen waren. Was für konkrete Aktionen und Projekte ab Mai dann in Liestal tatsächlich entstehen sollen, möchte Ott noch offenlassen. «Es gibt ein Handbuch der Rassismus-Fachstelle mit Dutzenden von Vorschlägen. Ich möchte hier dem Komitee nicht vorgreifen.»

Jedenfalls habe der Stadtrat in Eigenregie aus einem Fonds einen «tiefen fünfstelligen Betrag» bewilligt, um die externe Projektorganisation auf die Beine zu stellen. Als Beispiel nennt Lukas Ott Kurse, in denen der Umgang mit brenzligen Situationen trainiert wird. «Dort könnte es darum gehen, wie man helfen kann, ohne dass die Situation eskaliert.» Auch der Gewaltprävention bei Kindern werde man grosses Gewicht beimessen.

Selbstbehauptung lernen

Das Projekt geht auf ein Postulat im Liestaler Einwohnerrat vom Herbst 2005 zurück, das von allen Fraktionen unterzeichnet wurde – rund ein Jahr nach dem Überfall auf den Coop-Prontoshop am Bahnhof. Vorbild des nun geplanten Präventionsprojektes ist Burgdorf: Dort besuchen seit mehreren Jahren beispielsweise alle Siebtklässler nach Geschlechtern getrennt vier Tage lang ein Training zum Thema «Selbstbehauptung».