«für abendländische Ethik und Kultur»

Die Wochenzeitung vom  14.04.2011

Dr. Jennys Mission ist noch nicht zu Ende

Er kollaborierte als Journalist mit den Nazis und befürwortete später die Apartheid im südlichen Afrika: Hans Jenny, Gründer der Stiftung für abendländische Ethik und Kultur. Den Kampf fürs «Abendland» setzen heute Neoliberale fort.

Von Adrian Zimmermann

Robert Nef, Präsident der Stiftung für abendländische Kultur und Ethik, konnte Bekannte begrüssen. Jährlich verleiht die abend­ländische Stiftung Preise in der Höhe von 50 000 Franken. 2009 ging der Förderpreis an René Scheu, den Nachfolger von Nef als Redaktor bei den «Schweizer Monatsheften». Den Jahrespreis erhielt Gerhard Schwarz, ­da­maliger Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion und heutiger Chef des Thinktanks Avenir ­Suisse.

Sieht man von den Preisverleihungen an wenig umstrittene Kulturschaffende ab, so zeichnete die Stiftung in der Vergangenheit immer wieder Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Medien aus, die weit rechts der Mitte stehen: Schwarz und Scheu gehören dabei noch zu den gemässigteren Empfängern. Prämiert wurde auch der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1997), der Fremdenangst biologisch rechtfertigt, die der Psychosekte VPM nahestehende Psychologin Christa ­Meves (1995) oder der rechtskatholische Publizist ­Pirmin Meier (2000).

Vor zwei Wochen berichtete die WOZ über die «Schweizer Monatshefte», die zeitweise ein faschistisches Blatt waren und heute wieder antidemokratische Töne anschlagen (vgl. Kasten). Die Stiftung für «abendländische Kultur und Ethik» ist ein weiterer Treffpunkt der reaktionären Rechten mit fragwürdiger Geschichte.

Tradition, Kultur, Moral

An der Preisverleihung 2009 kam Robert Nef auf die Gründung der Stiftung zu sprechen: «Die Stiftung ist nicht zufällig im Jahre 1968 gegrün­det worden, als Reaktion auf den damals vor­herrschenden bilderstürmerischen Zeit­geist, bei dem traditionelle Werte schonungslos infrage gestellt wurden und man Begriffe wie ‹das Abendland› und ‹die Ethik tradierter Werte› als ‹Muff von tausend Jahren› raschmöglichst entsorgen wollte.»

1968 gründeten Hans Jenny und seine Ehefrau Trudy die «Stiftung für abendländische Besinnung». 2005 wurde sie umbe­nannt. Stiftungszweck sind die «Besinnung auf abendländische Tradition, Kultur und Moral», die «Anerkennung der Vielfalt der europäi­schen Nationen» sowie die «Förderung ihrer geistigen Einigung bei gleichzeitiger Anerkennung der regionalen Besonderheiten».

Zeitweise finanzierte die Stiftung direkt politische Kampagnen, wie WOZ-Autor Jürg Frischknecht 1985 nachwies: Damals unterstützte sie das Initiativkomitee «Recht auf Leben», das gegen die Legalisierung der Abtreibung kämpfte. 1996 finanzierte sie gemäss ­Damir Skenderovics Standardwerk «Radical Right in Switzerland» (2009) die Broschüre «Islam im Vormarsch. Gefahr für das Abendland?».

Der Stifter

Hans Robert Jenny (1912­­-1996) habe sich die «solide finanzielle Basis» für das Engagement «aus eigener Kraft» erarbeitet, hiess es in einem Nachruf der NZZ. Zwischen den Aktivdienstperioden während des Zweiten Weltkriegs sei er als «freier Journalist» tätig gewesen. 1945 gründete er ein Treuhandbüro, das neben der Steuer- und Finanzberatung in der Verwaltung und dem Bau von Liegenschaften tätig war. 1960 entstand daraus die Verit Verwaltungs- und Immobilien-Gesellschaft.

In den heute einsehbaren Staatsschutzdossiers von Jenny ist einiges über seine politische und journalistische Tätigkeit zu finden: Sie enthalten unterschriebene Verhörprotokolle und bei ihm beschlagnahmte Akten. «Bei Dr. Hans Jenny handelt es sich um einen unserem Dienst längst bekannten Rechtsextrem­isten», steht im Dossier. 1933 trat er der Natio­nalen Front als Mitglied bei, kehrte ihr aber 1938 den Rücken. Aus dem beschlagnahmten Austrittsschreiben geht hervor: weil sie ihm zu wenig radikal war. Er schloss sich darauf einer Nazisplittergruppe an.

Während des Zweiten Weltkriegs kollaborierte Jenny journalistisch mit den deutschen Nazis: Der Bundespolizei bestätigte er 1943, er «sei heute Korrespondent der ‹Münchner Neueste Nachrichten› und der angeschlossenen Zeitungen. Des weiteren sei er Vertreter des ‹Europa-Verlages› in Zagreb und Vertreter des ‹deutschen Verlages in Berlin›, der die Zeitungen ‹Das Reich› und ‹Deutsche Allgemeine Zeitung› herausgebe.» Sämtliche erwähnten Zeitungen und Verlage kontrollierte der Franz-Eher-Verlag, der seit 1920 der NSDAP gehörte. Bis zum Ende des Kriegs strich der Verlag riesige Gewinne ein. Nach der Befreiung ging er auf den bayerischen Staat über, der dessen Vermögenswerte bis 1952 an private Investoren verkaufte.

Erst kurz vor der Niederlage Nazideutschlands teilte Jenny der Bundespolizei mit, er habe seine «Tätigkeit als Korrespondent deutscher Zeitungen niedergelegt» und wolle sich nicht mehr «hauptamtlich als Journalist – sondern – als Wirtschafts- und Steuerberater ­betätigen». Gleichzeitig stellte er klar: «Das Recht der Gesinnungs- und Denkfreiheit nehme ich weiter in Anspruch und setze Sie davon in Kenntnis, dass sich an meiner früheren weltanschaulichen Einstellung nichts geändert hat.»

Der letzte Eintrag im Staatsschutzdossier ist eine Anfrage des Gemeinderats von Opfikon. 1946 will dieser wissen, ob Jenny wegen seiner Rolle für die Nazipresse für öffentliche Ämter geeignet sei. Beiläufig wird im Brief vermerkt, dass «Gerüchte» und «Vermutungen über die Herkunft der Geldmittel» für seine Bau­projekte allmählich «verstummen» würden.

«Gutmütige Bosnier»

Einen Einblick in Jennys rassistisches Denken geben seine Reiseberichte: 1942 unternahm er eine ausgedehnte Reise durch das von den Achsenmächten besetzte Jugoslawien, bis ins hohe Alter schrieb er reich bebilderte Reiseberichte über Südafrika und das heutige Namibia.

Der Balkan der vierziger Jahre und das südliche Afrika der sechziger und siebziger Jahre faszinierten Jenny als Siedlungsgebiet unterschiedlicher, hierarchisch gegliederter Volksgruppen: «Volksdeutsche» und andere «Arier» im Balkan und die Buren, Engländer und Deutschen als «germanische Kulturen» in Namibia waren für ihn die Träger der «höchs­ten kulturellen Entwicklung im abendländischen Sinne». So schwärmte Jenny 1942 von den Kroaten der Herzegowina, dass sich die «nordische Rasse – in diesen wilden Bergen überraschend gut gehalten» habe. Wenn «einmal dieses Land befriedet ist», lasse sich «mit einem so prächtigen Volksschlag herrliche Aufbauarbeit leisten».

Anderen Bevölkerungsgruppen ging nach Hans Jenny dieses Potenzial ab. Die Bosnier seien «ein gutmütiges Volk, das seine Armut als Selbstverständlichkeit hinnimmt und sich anscheinend in seinen Lumpen wohlfühlt». Und den «Bastern» in Namibia, einer aus «Mischehen» von Buren und Schwarzen abstammenden Minderheit, unterstellte er einen «Hang zum Müssiggang – Ausdruck des Hottentottenbluts».

Als Feindbild tauchen an beiden Orten die Juden auf: Die jugoslawischen Partisanen würden aus «kriminellen Elementen», «aus Zigeunern oder anderem Rassenmischmasch» rekrutiert. Geführt würden sie von den ­«Juden als geistige Urheber und Drahtzieher». Im südlichen Afrika wetterte Jenny gegen die apartheidkritischen EuropäerInnen und ihre «Freunde in New York, London und anderswo». Namentlich polemisiert er gegen die berühmte Antiapartheidaktivistin Ruth First, die lettisch-jüdischer Herkunft war. 1982 wurde First vom südafrikanischen Geheimdienst mit einer Briefbombe ermordet.

Jenny ging es grundsätzlich «um die Frage, ob der Egalismus oder die Differenzierung als soziologisches Prinzip den Sieg davonträgt». Für ihn waren die rassistischen Regimes des südlichen Afrika eine Bastion gegen das Erbe der französischen Revolution und des antifaschis­tischen Befreiungskampfs. Der Kampf werde darum geführt, «ob die menschliche Gesellschaft im Zeitalter der umfassenden Weltzivili­sation egalitäre Formen annimmt oder sich in ihrer natürlichen Vielfalt weiterentwickelt». Die «anthropologischen, kulturellen und ethnischen Unterschiede unter den Menschen» müssten «als eine gottgewollte Entwicklung anerkannt werden», es gelte, «die differenzierte menschliche Gesellschaft gegenüber dem egalitären Rationalismus zu schützen».­ Diese Position sei «nonkonformistisch» – Jenny verglich sich pathetisch mit den von der Inquisition verfolgten Ketzern.

Den ApartheidgegnerInnen sprach er das Recht ab, sich als Liberale zu bezeichnen, weil sie «an wirtschaftlich-liberalen Problemen kaum interessiert» seien. Hier verwies er zustimmend auf den Ökonomen Wilhelm Röpke, der sich 1964 in den «Schweizer Monatsheften» positiv zur Apartheid geäussert hatte. Im gemeinsamen Kampf gegen das egalitäre Erbe der französischen Revolution fand sich der Altnazi und Apartheidunterstützer mit den Neo­liberalen.

Die Verbindung zeigt sich auch heute noch: Robert Nef führt als Stiftungspräsident nicht nur Jennys Kampf für das «Abendland» fort. Er ist auch Präsident des «Liberalen Ins­tituts», das die «Erforschung freiheitlicher Ideen» zum Ziel hat. Dort hat man ebenfalls mit der Verleihung von Preisen zur Stärkung des eigenen Netzwerks begonnen: 2010 wurde erstmals der «Röpke-Preis für Zivilgesellschaft» überreicht.

Hummlers Regeln

Privatbanker Konrad Hummler gehört zu den Financiers der reaktionären «Schweizer Monatshefte» (siehe WOZ Nr. 13/11, www.tinyurl.com/monatwoz). Am Samstag hat Hummler seine Medienmacht ausgebaut: Die NZZ-Generalversammlung wählte ihn zum Verwaltungsratspräsidenten. Als «Mission» der NZZ bezeichnete Hummler eine «freiheitliche Werte­orientierung», für den journalis­tischen Alltag stellte er zehn Regeln auf: Eintreten sollen die NZZ-Beschäftigten unter anderem für Steuersenkungen, das Vertrauen in Märkte und den Schutz der Familie.