Letzte Chance für den NPS-Gründer

Der Bund

Gericht hat Gründer der rechtsextremen Nationalen Partei Schweiz wegen Gefährdung des Lebens zu 12 Monaten unbedingt verurteilt

Zugunsten einer ambulanten Massnahme hat das Gericht die Gefängnisstrafe aber aufgeschoben. Bei einem Rückfall müsste der 28-jährige Angeschuldigte die neue und eine alte Gefängnisstrafe absitzen.

Heidi Gmür

Bevor er den Gerichtssaal verlässt, bedankt er sich beim Gericht noch rasch für «die Chance». Und der Journalistin ruft er nach: «Nichts Schlechtes schreiben!» Es scheint indes, das Wichtigste für ihn könnte sein, überhaupt beachtet zu werden. Und dafür hat er in der Vergangenheit auch persönlich gesorgt. In der Öffentlichkeit vorab als Gründer der rechtsextremen Nationalen Partei Schweiz (NPS).

Ernst genommen wurde er in dieser Rolle nicht nur: Der Gründer «alleine ist zu belächeln», schrieb bereits vor vier Jahren die Antifa über ihn, über den «Möchtegern». Die Aktion Kinder des Holocaust derweil glaubt, seine «Identifizierung als Neonazi» sei «eine vereinfachende Desidentifikation einer komplexen Persönlichkeitsgeschichte». Und der Amateurboxer der Klasse Superschwergewicht schliesslich, der Türsteher, dessen Leben der 28-jährige Angeschuldigte am Abend des 17. Februar 2002 mit einer Schussabgabe in der Aarbergergasse vor einem Nachtklub gefährdet hatte («Bund» vom Samstag), bezeichnete ihn vor Gericht ganz einfach als «chranke Siech».

«Keine günstige Prognose»

Der an schweren Persönlichkeitsstörungen und seit der frühen Kindheit an Tics leidende Angeschuldigte wurde gestern wegen Gefährdung des Lebens, falscher Anschuldigung, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz und falschen Alarms vom Kreisgericht Bern zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt. Unbedingt zwar, doch wird die Strafe zugunsten einer ambulanten somatischen und psychotherapeutischen Behandlung aufgeschoben. Zusätzlich wird er unter Schutzaufsicht gestellt, sprich: Es wird ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, der ihm eine Hilfe sein soll und eine Ansprechperson, der aber auch eine gewisse Kontrollfunktion für das Gericht wahrnehmen kann. Denn: Sobald der Angeschuldigte wieder rückfällig wird, muss er die Strafe absitzen. Und nicht nur diese: auch die 17 Monate Gefängnis, zu denen er im Mai 2001 in Zürich unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs bedingt verurteilt worden war.Dieses Zürcher Urteil war denn auch der Grund, weshalb das Gericht nicht dem Antrag des Verteidigers auf einen bedingten Strafvollzug gefolgt ist. Immerhin sei der Angeschuldigte bereits neun Monate nach seiner Verurteilung wieder straffällig geworden. «Es kann keine günstige Prognose mehr gestellt werden», sagte Gerichtspräsidentin Christine Schaer. Weil sich die Situation des Angeschuldigten im letzten Jahr aber offenbar positiv verändert habe, er sich zum Beispiel therapieren lasse, in einer festen Beziehung lebe, einen geschützten Arbeitsplatz habe, befand das Gericht, es sei ihm mit dem Aufschub der Strafe «eine allerletzte Chance zu geben, sich künftig wohl zu verhalten».

Zweifel an Beteuerungen

Zugleich machte die Richterin aber auch keinen Hehl daraus, dass sie den positiven Darstellungen des Angeschuldigten nicht nur Glauben schenken mag. «Es ist schwer herauszufinden, ob seine Beteuerungen echt sind oder nur seinem persönlichen Zweck dienen», sagte sie. Tatsache ist, dass sich der Angeschuldigte nach wie vor in rechtsextremen Kreisen bewegt und man im Internet noch heute über seine Adresse das NPS-Parteiblatt bestellen kann. Derweil hatte er vor Gericht erklärt: «Wie ich bis vor drei Jahren herumlief, dass ich ganz verkehrt dachte, das musste zu Problemen mit der Gesellschaft führen.» Heute habe er gar keine Zeit mehr für so einen «Seich», wolle er sich auf seinen «steinigen» Weg konzentrieren.

Auf Notwehrexzess erkannt

Hingegen glaubte das Gericht dem Angeschuldigten, diesem «idealen Opfer», dass er an jenem 17. Februar 2002 die Waffe gezückt hatte, weil er sich nach einem verbalen Streit vom Amateurboxer in die Enge getrieben und bedroht gefühlt hatte. Der Boxer hatte denn auch ausgesagt, dass er den Angeschuldigten habe «verschlagen» wollen. Das Gericht erkannte daher wie die Verteidigung auf Notwehr, jedoch habe der Angeschuldigte die Grenzen des Erlaubten überschritten. Dieser Notwehrexzess, die leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit, die Tatsache, dass er die Polizei gleich selber alarmiert hatte, wie auch die eher schwierige Kindheit des Angeschuldigten mit Pflegefamilie, Kleinklassen, Heimen und Internaten wurden strafmildernd berücksichtigt. Der gelernte Koch lebt heute von einer IV-Rente.