Lebkuchen, Dürer und Speer

Aargauer Zeitung

Martina Ohm

Kennen Sie Nürnberg im Frankenland? Hier gibt es den Christkindlesmarkt, das Spielzeugmuseum, die Bundesanstalt für Arbeit und mit dem Germanischen Nationalmuseum das erste Haus deutscher Kunst und Kultur. Aus Nürnberg stammen die ersten Lebkuchen, die ersten Hustenbonbons, die erste deutsche Papiermühle. Und natürlich einer der Besten: Albrecht Dürer. Mit seinem Aquarell «Das grosse Rasenstück» hat der den Stadtvätern 1503 unbeabsichtigt einen Steilpass geliefert. Die Marketingleute im Rathaus sprechen jetzt vom «ersten Rasen der Kunstgeschichte» und von «der Grundlage für das Fussballspiel».

Nun gut. Auch das Franken-Stadion gehört ja zu Nürnberg. Es zählt zu den zwölf WM-Spielstätten. Die Teams aus USA und Iran werden hier auflaufen. Die Arena liegt auf einem riesigen Gelände, wo im Sommer Musikfestivals stattfinden; ein Naherholungsgebiet. Ganz früher war das auch schon so. Da gab es hier einen Volkspark mit See und Zoo. Dann kamen die Nazis und stellten alles auf den Kopf. Hitler liess seinen Architekten Speer gigantische Gebäude errichten: die Führertribüne etwa und eine 60 Meter breite Aufmarschstrasse. Hier inszenierten sich die Nazis durch ihre Reichsparteitage selbst. Der schöne Park mutierte zum Reichsparteitagsgelände. Später wurden in Nürnberg die braunen Rassengesetze erlassen. Und nach dem Krieg beschlossen die Alliierten, in der Stadt die Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen – mit den Nürnberger Prozessen.

Von «Erbe und Verpflichtung sprechen die Stadtväter heute. Zur WM wollen sie aufklären. Oberbürgermeister Ulrich Maly möchte vermeiden, dass irgendwelche Schlachtenbummler angesichts der teilweise noch erhaltenen NS-Gebäude glauben könnten, all das, samt Franken-Stadion, sei Teil eines grossen Freilichtmuseums aus der Nazizeit. Darum gibt es neben einem Dokumentationszentrum zur Geschichte der Stadion-Umgebung in Kürze auch ganz viele Informationstafeln rund um die Arena.

Ob das reichen wird, um rechte Brüder am Krawall zu hindern? Was, wenn sich die rechtsextremen deutschen Hooligans auf nach Franken machen, auf die alte Führertribüne klettern und vor laufenden Kameras den Arm zum Hitlergruss strecken? Deutsche Hooligans kann man nicht ausweisen. Und was, wenn die prima Ausstellungen mit den Titeln «Was ist deutsch?» und «Wer ist deutsch?», die sich nicht ohne Augenzwickern auch mit Sehnsucht, Geist und Vaterland beschäftigen, von den rechten Provokateuren instrumentalisiert werden? «Tore öffnen statt Zäune errichten» lautet das Motto der WM-Gastgeber. Und wer verfassungsfeindliche Symbole in der Öffentlichkeit zeigt, wird festgenommen. Das könnte Arbeit geben. Ihre Aufmärsche im Land haben die dumpfen Rechten schon angemeldet. Auch in Nürnberg.

Martina Ohm ist Deutschlandkorrespondentin.