Künftig soll es in Sempach ein Volksfest anstelle von Schlachtfolklore geben

 

Der Bund vom 23.07.2010

Statt dem Schlachtumzug in Sempach will die Luzerner Regierung künftig ein Fest ausrichten, das Rechten und Linken die Lust auf Demos vergällt. Das sorgt für Kritik.

 

 

Erwin Haas

Vor einem Jahr kam es am Rande der Schlachtfeier in Sempach LU zu bedrohlichen Szenen. Rechtsextreme hatten den Anlass, mit dem die Luzerner jeden Juni des Sieges gegen die Habsburger 1386 und ihrer Kantonsgründung gedenken, als politische Plattform missbraucht. Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) marschierte mit rund 250 Anhängern auf. Bei vier Personen wurden eine Pistole, zwei als Hosengurt getarnte Töffketten und ein Schlagstock gefunden.

Instrumentalisierte Feier

Die Luzerner Jungsozialisten wollten nicht weiter tolerieren, dass die Sempacher Feier «zur grössten Neonazi-Veranstaltung des Landes» verkommt, und führten eine bewilligte Gegendemonstration durch, bei der auch Vermummte auftraten. Nur ein massives Polizeiaufgebot, das 300 000 Franken kostete, vermochte handfeste Konfrontationen zu verhindern.

Der Luzerner Regierung missfiel schon lange, dass die Sempacher Schlachtfeier «verpolitisiert und instrumentalisiert wird». Dieses Jahr führte sie statt des historischen Kostümzugs zum Denkmal, wo Winkelried einst eine Gasse in die Speerphalanx des Habsburger Heeres gerissen haben soll, nur einen schlichten Gedenkgottesdienst in der Stadtkirche durch – sehr zum Missfallen der bürgerlichen Parteien CVP und der SVP. Letztere sprach von einem Kniefall vor vermummten Chaoten. Nur die Sozialdemokraten begrüssten den Entscheid, weil er «der rechtsradikalen Ersatzveranstaltung fürs Rütli» einen Riegel schob.

«Multikulti-Veranstaltung»

2011 jährt sich der Gedenktag zum 625. Mal. Im Gegensatz zu den Organisatoren der 1.-August-Feier auf dem Rütli, die ihr Extremistenproblem mit Tickets und Zutrittskontrollen entschärft haben, schwebt der Luzerner Regierung ein Volksfest vor. Gemäss dem Staatsschreiber Markus Hodel soll es «das Wir-Gefühl der Luzerner stärken». Der Kantonsrat unterstützt die Idee.

Der Umzug in Sempach könnte etwa zu einem Mittelalter-Fest mit Seebühne, Markt und zahlreichen Musikdarbietungen werden – eine Grossveranstaltung, die sich als Plattform für politische Gruppierungen weniger eignet. SVP-Kantonsrat Marcel Omlin fordert allerdings in einem dringlichen Postulat, dass der traditionelle Teil der Schlachtfeierlichkeiten wieder in die Planung aufgenommen wird. Mit einer «Multikulti-Veranstaltung» werde man der historischen Bedeutung der Feier nicht gerecht, moniert er.

Hinter den Kulissen geben sich derweil die verfeindeten Gruppierungen – vor allem die Junge SVP und die Jusos – so unversöhnlich, dass auch für nächstes Jahr Unruhe zu befürchten ist. Sie schieben in einem öffentlichen Grabenkampf jede Schuld an den Missständen von sich und bezichtigen sich gegenseitig der Verunglimpfung.

Verspraytes Denkmal

Nachdem das Winkelried-Denkmal im Juni mit dem Schriftzug «No Nazis» verunziert worden war, drohte die Pnos Willisau den von ihr verdächtigten Linken Vergeltungsschläge und «Sprengfallen» an. Das wegen «Schreckung der Bevölkerung» eröffnete Verfahren hat der Untersuchungsrichter aber mittlerweile eingestellt. Der Tatbestand sei nicht erfüllt, sagte der Sprecher der Luzerner Strafverfolgungsbehörden, Simon Kopp. Eine Begründung konnte er nicht angeben, weil der Untersuchungsrichter in den Ferien ist.