Kontroverse um einen Vortrag: Gutachter von Neonazi-Terroristin soll vor Basler Lehrpersonen referieren.

Basler Zeitung. Demnächst soll Joachim Bauer vor Basler Lehrpersonen sprechen. Wegen seiner Rolle im NSU-Prozess in Deutschland sehen das nicht alle gern.

Einmal jährlich versammeln sich alle Lehrpersonen des Kantons Basel-Stadt in der St.-Jakobs-Halle zur «Gesamtkonferenz der Kantonalen Schulkonferenz». Dabei handelt es sich um einen Pflichtanlass, der dieses Jahr am 29. März stattfindet.

Am Anlass soll der Freiburger Professor Joachim Bauer einen pädagogischen Weiterbildungsteil leiten. Gegen sein Referat gibt es jedoch Widerstand: Dieser Zeitung liegt ein Schreiben eines Basler Sozialpädagogen vor, der sich bei Departementsvorsteher Conradin Cramer (LDP) und dem Organisationsteam des Anlasses beschwert hat.

Er arbeite «überwiegend mit Kindern aus migrantisierten Familien. Ich finde es merkwürdig, dass nun ausgerechnet ein Mann zu uns sprechen soll, der sich so leidenschaftlich für eine verurteilte Mörderin eingesetzt hat, die ihre Verbrechen aus rassistischer Überzeugung begangen hat», heisst es im Brief.

Der Grund, weshalb der Mann versucht, Bauers Auftritt in Basel zu canceln, liegt allerdings schon einige Jahre zurück. Der deutsche Professor geriet 2017 in die Schlagzeilen als Gutachter im Fall der inzwischen verurteilten Rechtsterroristin Beate Zschäpe.

Zschäpe gehörte zur Kerngruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Die Neonazi-Terrorgruppe ermordete zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen, dazu kamen 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.

Bauer «als Retter der Angeklagten»

Bauer sollte vor sechs Jahren im Auftrag von Zschäpes Verteidigung ein Gutachten verfassen. Der heute 71-jährige Psychiater unterhielt sich dazu 16 Stunden mit Zschäpe und schrieb darauf basierend sein Gutachten, in dem er die verminderte Schuldfähigkeit festhielt. Basierend darauf hätte sich das Gericht mit einer Strafreduzierung beschäftigen müssen.

Doch so weit kam es erst gar nicht. Nebenkläger, Angehörige eines NSU-Mordopfers, stellten einen Befangenheitsantrag. Bauer habe «offenkundig jede professionelle Distanz verloren» und sehe sich «als Retter der Angeklagten», zitierte die «Süddeutsche Zeitung» damals.

Bauer habe sich zudem dazu hinreissen lassen, bei der Hauptverhandlung zu implizieren, «dass die Angeklagte Zschäpe an den Morden unschuldig sei», womit er «die Grenzen seines Auftrages nicht nur weit überschritten, sondern geradezu verletzt» habe, so die Anwältin der Opferfamilie.

Das Gericht nahm den Antrag an, das Gutachten von Bauer wurde im Prozess nicht berücksichtigt. Durch die Verwendung des Begriffs «Hexenverbrennung» im Zusammenhang mit Zschäpe mache Bauer deutlich, «dass er das gesamte Verfahren gegen die Angeklagte Zschäpe in diesem Sinne bewerte und dass insbesondere ein massiver Schuldspruch bereits feststehe», stellte der Richter fest. Es wirke so, als habe Bauer sein Gutachten nicht unvoreingenommen, sondern «ergebnisorientiert» erstellt.

Pralinés für Zschäpe, Schelte für Medien

Wie der «Spiegel» berichtete, hat Bauer gemäss einer Aktennotiz der Justizvollzugsanstalt Stadelheim versucht, Pralinés für Zschäpe in die Untersuchungshaft zu schmuggeln. Er habe damit nichts bezwecken wollen, sagt Bauer vor Gericht. «Das war eine völlig unschuldige Geste der Humanität.» Bauers Auftritt vor Gericht bewertete der «Spiegel» als «Debakel».

Bauer selbst nahm damals zu den Vorwürfen Stellung. Den Medien warf er «Unsachlichkeit» und «Angriffe» auf ihm vor. Auf seiner Website ist zu lesen: «Prof. Bauer hegte und hegt keinerlei Sympathien mit rechten, rechtsradikalen, antisemitischen oder ausländerfeindlichen Einstellungen. Er hat solche Einstellungen zeitlebens entschieden bekämpft. Prof. Bauer ist seit Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv und unterstützt die Integration von nach Deutschland geflüchteten Menschen.»

Veranstalter hält an Bauer fest

Wegen seines Briefs sei der Kritiker von Simon Rohner, dem Präsidenten der Kantonalen Schulkonferenz Basel-Stadt, zum persönlichen Gespräch eingeladen worden. Rohner bestätigt das Gespräch mit dem Basler Sozialpädagogen. Der Leitende Ausschuss habe den Hinweis, der an die Aufforderung geknüpft worden sei, Bauer wieder auszuladen, «sehr ernst genommen», sagt Rohner gegenüber dieser Zeitung. Man sehe aber aufgrund der vorliegenden Informationen «keinen Grund» für diesen Schritt.

Das Referat von Bauer an der Lehrpersonenkonferenz Basel-Stadt hat inhaltlich nichts mit Forensik oder dem NSU zu tun. Bauer spricht zum Thema «Bewahrung der Lehrkräfte-Gesundheit durch Stärkung der Beziehungskompetenz – Lehren und Lernen aus Sicht der Sozialen Neurowissenschaften».

«Der Leitende Ausschuss ist überzeugt, dass Joachim Bauer als Redner zu diesem Thema hoch qualifiziert und relevant ist», sagt Rohner. Bauer habe dazu verschiedentlich referiert und publiziert und sei auch in jüngster Vergangenheit zu Gesprächen und Lehrpersonenweiterbildungen eingeladen worden.