Leutnant versorgte Neonazis mit Waffen

Sonntasgzeitung. Schweizer Infanterie-Offizier Mitglied der «SS-Division Götterdämmerung»
VON ANDREA BLEICHER

BERN/KÖLN · Ein Offizier der Schweizer Armee ist ins Visier der Behörden geraten: Ihm wird vorgeworfen, in Deutschland Neonazis trainiert zu haben. «Wir stehen seit mehreren Wochen mit den deutschen Strafverfolgern in Kontakt», sagt Guido Balmer vom Bundesamt für Polizei. «Mittlerweile haben wir auch schriftlich darum gebeten, uns die Ermittlungsergebnisse in diesem Fall weiterzuleiten.»
Kai S. soll Mitglied der rechtsextremen «SS-Division Götterdämmerung» gewesen sein. Diese, so sagten ehemalige Kameraden vor dem Kölner Landgericht aus, übte in einem Schweinestall und einer Bunkeranlage in den Wäldern um Bonn für die «Revolution gegen das Finanzjudentum». Der 25-jährige Leutnant der Infanterie, so die Zeugen im Protokoll, habe für die Wehrsportübungen Waffen aus der Schweiz beschafft. «Dafür nutzte er seine militärischen Verbindungen», sagte einer der Zeugen. Ausserdem habe S., alias «Sturmführer Holz», die Gruppe im Häuserkampf und im Umgang mit Sprengstoff geschult.

Armeesprecher Felix Endrich bestätigt: «Die besagte Person ist Infanterie-Zugführer. Er hat sich vor vier Jahren in den Auslandsurlaub abgemeldet.» Unmittelbar darauf begannen die Trainingseinheiten der Rechtsradikalen.

Auch das Verteidigungsdepartement will den Fall S. untersuchen. «Sobald er sich zurückmeldet, werden wir ihn uns genauer anschauen», sagt Endrich. Bislang sei der Mann «unauffällig» gewesen. «Ausdrücklich verboten ist es nicht, im Militärdienst erlangtes Können privat weiterzugeben. Wir können sowieso nicht kontrollieren, was jemand in seiner Freizeit macht.»

Dreifacher Mord brachte die Ermittler auf die richtige Spur

Aufgeflogen ist das bizarre Treiben der Neonazi-Miliz nach der Verhaftung ihres Anführers. Der 45-jährige Ex-Taxifahrer Thomas Adolf hatte im Oktober 2003 in Overath einen Rechtsanwalt, dessen Frau und die älteste Tochter mit einer Pumpgun erschossen.

Vor Gericht gestand er die Morde und berichtete, Mitglied einer rechtsextremen Terrorzelle zu sein. «Das Netzwerk, dem ich angehörte, hat im vergangenen Jahr eine Todesliste aufgestellt, in der Juristen, antifaschistische Schriftsteller und Politiker aufgeführt waren», erklärte Adolf. Getötet werden sollte unter anderem auch der jüdische Autor Ralph Giordano.

Adolfs Aussagen werden teilweise von Kosta S. (genannt «Scharführer Burgner») gestützt. Bis zu 20 Personen hätten an den militärischen Übungen teilgenommen. Maskiert und mit abgedeckten Autonummernschildern habe man sich im Wald getroffen. Adolf sei der «politische Offizier gewesen», der auch gezielt Jugendliche in der Technoszene angesprochen habe, um sie für den Nationalsozialismus zu begeistern.

Der Schweizer Kai S., dem nun in Deutschland ein Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation droht, hat auf Anraten seines Anwalts bislang zu fast allen Vorwürfen geschwiegen. Vor Gericht bestritt er jedoch, eine Sprengstoffausbildung gemacht und von der Todesliste gewusst zu haben. Ausserdem stellte er in Abrede, dass er die «SS-Division Götterdämmerung» mit 75 000 Franken finanziell unterstützt habe.

Das ist in mindestens einem Punkt eine Falschaussage. «Er hat als Offizier der Infanterie eine Sprengausbildung, ja sogar ein Spreng-Brevet», sagt Armeesprecher Endrich.