Im Sommer 1998 hat die Bundespolizei dem Rechtsextremismus im Internet den Kampf

Der Bund

angesagt. Sie hat den Providern in der Schweiz eine Liste mit möglicherweisestrafbaren Internetseiten zukommen lassen. Praktisch alle einschlägigen Adressen sindaber eineinhalb Jahre später immer noch abrufbar.

VON ANDREAS SCHMID, BERN

Provider, die den Zugang zu rassistischen Internetseiten ermöglichen, machten sich gegebenenfalls «einerstrafbaren Gehilfenschaft» zu Rassendiskriminierung, Gewaltdarstellungen oder Pornografie schuldig,liess die Schweizerische Bundespolizei die Anbieter wissen. Sie sollten deshalb eine Sperrung prüfen.Geschehen ist dies grösstenteils nicht, obwohl die Provider der Bundespolizei in einer Ausspracheversprachen, sie im Kampf gegen Rechtsextremismus zu unterstützen. Auch die Bildung einerKontaktgruppe, in der die Bundesämter für Informatik, Polizeiwesen, Kommunikation und Justiz sowieBundespolizei und Internetanbieter vertreten sind, hat bisher wenig sichtbaren Erfolg gebracht. Sonstwäre die berüchtigte rechtsextreme Internetseite, die von «Zensur in der ach-so-demokratischenSchweiz, die sich mit dieser Massnahme in der Tradition von Vorbildern wie China oderRest-Jugoslawien» befinde und die von einer «schwarzen Liste der Schweizer Marionettenregierung»spricht, gar nicht zu lesen. Dass die meisten von den Behörden als kritisch eingestuften Adressen nicht gesperrt wurden, habe zweiGründe – und die lägen bei den Providern, sagte Bundespolizei-Pressesprecher Jürg Bühler gegenüberder SO: Einerseits würden die Anbieter, wenn sie eine Seite sperrten, eine Mitverantwortung für denverbreiteten Inhalt eingestehen und damit ein Präjudiz schaffen. Andererseits scheuten sie die Kosten fürdie Software, die es brauche, um einzelne Adressen unzugänglich zu machen.

Bundespolizei wartet ab
Trotz der unbefriedigenden Situation schreitet die Bundespolizei vorläufig nicht ein: «Wir haben quasieine Stillhaltevereinbarung mit den Providern getroffen», so Jürg Bühler. «Auch wurde die Liste dereinschlägigen Adressen unverändert belassen.» Der Pressesprecher begründete dies damit, dass dieRechtslage noch nicht geklärt sei. Ob die Internet-Anbieter tatsächlich für den Inhalt der zugänglichenSeiten haftbar gemacht werden könnten, sei nämlich umstritten. Allerdings gehe die Bundespolizei davonaus, dass sie – wie Buchhändler auch – für die angebotenen «Produkte» mitverantwortlich seien. EinBericht, der diese Frage klären soll, wird vom eidgenössischen Justizdepartement nächs tens vorgelegt.Anhand dieser Ergebnisse wird die Bundespolizei das weitere Vorgehen festlegen. «Es ist möglich, dassdie Stillhaltevereinbarung mit den Providern bald gebrochen wird. Die Anbieter riskieren dann, von derBundespolizei angezeigt zu werden, wenn sie weiter strafbare Inhalte zugänglich machen», sagte JürgBühler. Wenn dieser Fall eintreten sollte, müsste auch die Liste der zu sperrenden Adressen erneuertwerden.

Umsetzung umstritten
Viele Internet-Provider widersprechen der Ansicht der Bundespolizei, einzelne Seiten zu sperren seitechnisch problemlos machbar. Ohne ausgefeilte zusätzliche Software könne nur das Gesamtangeboteines Anbieters unzugänglich gemacht werden. Ausgewählte Adressen zu unterdrücken jedoch sei mitriesigem technischen und finanziellen Aufwand verbunden. Die nötigen Massnahmen zu treffen undentsprechende Filter einzurichten solle nicht jedem einzelnen der meist kleinen Provider selbst überlassenwerden. Damit schiebe die Bundespolizei die Verantwortung ab und delegiere sie einfach auf die untersteStufe.

Kontrolle praktisch unmöglich
Dass der Aufruf der Bundespolizei, gewisse Internetseiten unzugänglich zu machen, vorerst praktisch imSand verlaufen ist, führen die Verantwortlichen vor allem auf die beschränkten Kontrollmöglichkeitenzurück. Um den Zugang umfassend zu überprüfen, müsste die Bundespolizei nämlich bei jedemInternetprovider in der Schweiz einen Anschluss haben – und Personal, das kontrolliert, ob die Vorgabeneingehalten werden. Selbst wenn die rechtliche Situation also geklärt sein wird, werden die Behörden imKampf gegen Rassismus im Internet weiterhin einen schweren Stand haben.