Hooligans gehen in die Provinz

Nzz am Sonntag

Gewaltbereite Fussballfans suchen ihre Kampffelder oft ausserhalb der Städte

Andreas Schmid

Gewalttätige Fans weichen dem Polizeiaufgebot in den grossen Stadien aus. Sie kämpfen vermehrt auf den fussballerischen Nebenschauplätzen.

Negativschlagzeilen durch gewalttätige Fans sind in der laufenden Saison in der höchsten Spielklasse der Schweizer Fussballmeisterschaft ausgeblieben. Während es in den grossen Stadien der Super League seit einiger Zeit mehrheitlich friedlich zu und her geht, sorgen Hooligans ausserhalb der Städte für Aufruhr. Beim Cupspiel des interregionalen Zweitligisten Sarnen gegen den A-Klub FC Aarau am 15. September ist das idyllische Stadion Seefeld, nah am Ufer des Sarnersees gelegen, Ziel von berüchtigten Aarauer Fans geworden. Auch einschlägig bekannte Anhänger des FC Luzern und des FC Basel – ihre Mannschaften spielten nicht – tauchten im Obwaldner Hauptort auf.

Die Kantonspolizei forderte Verstärkung von den benachbarten Korps an, nachdem sie vom geplanten Aufmarsch der Hooligans erfahren hatte, wie Einsatzleiter Fredy Blättler sagt. Bis Spielbeginn war das Aufgebot weit grösser als der Gesamtbestand der Obwaldner Kantonspolizei (50 Mann). Mit Hilfe von Szenekennern aus Luzern und Aarau wurde unter den 2500 Zuschauern ein Dutzend Luzerner, Basler und Aarauer Fans erkannt, gegen die der Schweizerische Fussballverband ein schweizweites Stadionverbot verhängt hatte. Nicht alle Fans, die mit dieser Sanktion belegt worden waren, konnten jedoch herausgefischt und abgewiesen werden. Einzelne entdeckte die Polizei erst während des Spiels auf der Tribüne. Im Stadion und darum herum kam es zu Pöbeleien und Provokationen – das grosse Polizeiaufgebot verhinderte Ausschreitungen. «Die rivalisierenden Gruppen haben in Sarnen ein Kampffeld gesucht», sagt Fredy Blättler. Die Infrastruktur in einem Kleinstadion und die limitierten Möglichkeiten eines Regionalklubs setzten wirkungsvollen Gegenmassnahmen Grenzen, sagt Ulrich Pfister, Sicherheitsverantwortlicher des Schweizerischen Fussballverbands. Er stellt fest, dass die Vandalen den aufwendigen Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit in den grossen Stadien vermehrt ausweichen und in der Provinz ihr Unwesen treiben oder sich ausserhalb der Arenen bekämpfen – an Bahnhöfen oder in umliegenden Quartieren. «Das sind keine Fans», sagt er. Diese Gruppen reisten wegen der «dritten Halbzeit» an die Spiele. Dass im Fussball rivalisierende Anhänger von GC und FCZ bei Spielen des Eishockeyclubs ZSC Lions plötzlich gemeinsam auftreten, ist für ihn ein Beweis dafür.

Die Tendenz, dass sich gewaltbereite Zuschauer vermehrt in unteren Ligen tummeln, ist in Deutschland und England bereits seit längerem ein Problem. Es gebe dagegen kein Patentrezept, sagt Ulrich Pfister, weshalb er Vorfälle wie in Sarnen mit Besorgnis beobachte. Einen Teil der Hooliganszene rechnet der Sicherheitsexperte – je nach Region – links- und rechtsextremen Gruppierungen zu.

Dass eine Verschiebung des Sicherheitsproblems auf untere Spielklassen stattfindet, bestätigt Jörg Häfeli, Präsident der Fankommission der Swiss Football League. Er berichtet über mehrere Vorfälle bei Spielen von Nachwuchsmannschaften der Grossklubs.

Zuschauertumulte gibt es auch in unteren Eishockey-Ligen. Laut Fredy Blättler ist sein Korps auch bei Spielen des Drittligisten EHC Engelberg-Titlis gewappnet. «Da knistert es oft.»

440 Fussballfans ohne Zutritt zu den Stadien

Andreas Schmid

Der Schweizerische Fussballverband hat laut seinem Sicherheitsverantwortlichen Ulrich Pfister 440 Personen registriert, gegen die national ein Stadionverbot gilt. Gegen die Mehrheit von ihnen wurde die Sperre verhängt, weil sie gewalttätig waren, durch Sachbeschädigungen auffielen oder gegen das Sprengstoffgesetz verstiessen, indem sie Feuerwerk zündeten. Die Verbote werden von den lokalen Stadionbetreibern ausgesprochen und dem Verband gemeldet. Zurzeit sei die Gangart gegen unliebsame Zuschauer im Hinblick auf die Fussball-Europameisterschaft im Juni 2008 in der Schweiz auffällig repressiv, sagt Pascal Claude von der Initiative «Fansicht». Diese wehrt sich gegen willkürliche und ungerechtfertigte Sanktionen. Solche würden vermehrt gemeldet; «momentan scheint das Motto zu lauten», so Claude. Ein Stadionverbot gilt je nach Tat für zwei oder drei Jahre. 120 Sperren, die vor 2007 – nach alten Bestimmungen auf unbestimmte Zeit – ausgesprochen wurden, hat der Verband kürzlich aufgehoben.

Seit vergangenem Sommer führen die Polizeibehörden zudem in der Hooligan- Datenbank Personen, die wegen nachweislicher Gewaltakte im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden belangt und gegen die teilweise Rayonverbote verhängt wurden. Zurzeit sind 200 Sportfans erfasst. Paradoxerweise sind diese aber nicht alle von einem nationalen Stadionverbot betroffen. Der Datenschutz verhindert manchenorts die Weitergabe von Personendaten durch die Behörden an private Sicherheitsfirmen.