Freysinger drängt an die Spitze

St. Galler Tagblatt vom 20.03.2012

Oskar Freysinger, notorischer Provokateur aus dem Wallis, wird wohl der nächste Westschweizer SVP-Vizepräsident. Sein Kommunikationstalent ist der Partei willkommen, seine Kontakte zu ausländischen Rechtspopulisten sind es nicht.

DENISE LACHAT

BERN. Oskar Freysinger rebelliert gerne laut und heftig gegen die Parteispitze und hat das Publikum schon früh an verbale Entgleisungen gewöhnt. 2002 drängte es den Präsidenten der SVP Wallis, die er drei Jahre zuvor gegründet hatte, an das Mikrophon des nationalen Parteitags, wo er ein vor Vulgarität strotzendes Gedicht zur Bundesratskandidatur von Parteikollege Toni Bortoluzzi vortrug. Die geschmacklosen Reime kosteten ihn das Präsidium der Kantonalpartei, doch der als «Pissoir-Poet», «Politclown», «fehlgeleiteter Trottel» und «dichtendes Sicherheitsrisiko» betitelte Freysinger mischt unverändert in der Politik mit. 2003 wählten ihn die Walliser in den Nationalrat. Zweimal haben sie den notorischen Provokateur seither wiedergewählt. In Bern vertritt er mit sicherem Instinkt die Kantonsinteressen, auch gegen die Position der Mutterpartei. Die SVP Schweiz lässt ihn gern gewähren, solange er Wählerprozente und nationale Aufmerksamkeit garantiert.

Tagung mit Rechtsextremen

Künftig wird Freysinger noch häufiger zu sehen und zu hören sein. Der 51-Jährige ist der einzige Anwärter auf den Westschweizer Sitz im fünfköpfigen SVP-Vizepräsidium. Céline Amaudruz, die zweite Interessentin, hat sich vorzeitig zurückgezogen. Für die Neo-Nationalrätin aus Genf kommt der Schritt zu früh. Und es scheint, als habe die Partei ohnehin nur auf einen wie Freysinger gewartet – zumindest aus dessen eigener Sicht: «Ich bin einer der besten Debattierer der Westschweiz, wenn nicht der beste überhaupt», sagt er betont unbescheiden und lehnt sich entspannt in den grünen Ledersessel im Nationalrats-Vorzimmer zurück. Kommunikation sei seine Stärke, sagt er – und erzählt euphorisch von Standing Ovations, die ihm ein Saal von 1000 Teilnehmern in Paris nach seiner Rede bei den «Assises contre l’islamisation» bescherte.

Freysingers Teilnahme an der Tagung des rechtsextremen «bloc identitaire» verursachte allerdings sogar bei Parteikollegen Bauchgrimmen.

Auch Blocher warnte ihn

Ebenso hart an die Schmerzgrenze ging der Walliser mit seinem Treffen mit dem niederländischen Anti-Islam-Hetzer Geert Wilders in Den Haag. Der abtretende SVP-Vize Yvan Perrin warnt Freysinger jedenfalls jetzt schon. Er könne als Mitglied der Parteileitung nicht meinen, einen wie Wilders treffen zu können. «Oskar Freysinger repräsentiert dann die SVP Schweiz, und die wünscht diese Nähe nicht», betont der Neuenburger.

Freysinger winkt ab. Er habe als Vizepräsident der Partei ohnehin weniger Zeit für Auslandreisen, sagt er. Das habe er auch Christoph Blocher mitgeteilt, als dieser ihn warnte. Doch dann legt Freysinger nach: «Sie werden sehen, Wilders ist der künftige Premier Hollands. Da ist es nicht schlecht für die Schweiz, diesen Kontakt zu haben.» Ursprünglich war es Freysinger, der Wilders zu einem Vortrag in die Schweiz einlud; im Wallis war der Rechtspopulist aber nicht willkommen.

Zwar müssen ihn die Delegierten am 5. Mai erst noch wählen, doch Freysinger mag nicht so lange warten. Er hat Christoph Blocher bereits ein Konzept vorgelegt, in welchem er Vorschläge zur Imagepolitur der seit Monaten angeschlagenen Partei macht.

Bin Laden auf Identitätskarte

Freysinger stellt fest: «Die Inhalte der SVP sind gut, die Kommunikation ist schlecht.» Die will der Gymnasiallehrer für deutsche Literatur jetzt verbessern. Der perfekt zweisprachige Sohn einer Walliser Mutter und eines Tiroler Vaters verspricht einen «anderen Ton». Und er will als Vertreter der Westschweiz die Plakatkampagnen regional anpassen. Witzig müsse es sein. «Am wirksamsten waren immer unsere Walliser Plakate.» Das Publikum darf gespannt sein: Zur Asyl-Initiative liess Freysinger Plakate drucken, die Osama bin Laden auf einer Schweizer Identitätskarte zeigten.

Hart an der Schmerzgrenze: Oskar Freysinger (links) bei einem Treffen mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders.

Anti-Burka-Initiative geplant

Der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger gehörte zu den aktiven Befürwortern der Minarett-Initiative, die vom sogenannten Egerkinger Komitee lanciert worden war. Mit dem gleichen Komitee könnte Freysinger nun eine Volksinitiative für ein Burkaverbot starten. «Falls das Parlament die entsprechende Aargauer Standesinitiative ablehnt, gehen wir mit dem Anliegen vor das Volk und gewinnen die Abstimmung mit 80 Prozent Ja», prophezeit Freysinger. Der Ständerat habe ihm mit seinem Nein zu einer «pragmatischen Lösung» ein Geschenk gemacht. Mit einer Burka-Initiative sei ihm lange politische Aufmerksamkeit gewiss. (dla)