«Extremen die Stirn bieten»

St. GallerTagblatt

Des Kantons St. Gallen einziges Kantonsrats-Ehepaar erlebte die Rütli-Bundesfeier gemeinsam

Rütli/Diepoldsau. Hans Frei-Graf und Ursula Graf Frei sind das einzige Ehepaar im Kanton, bei dem beide dem Kantonsrat angehören. Sie für die SP, er für die CVP, für die er ein Nationalrats-Mandat anstrebt. Am 1. August reisten beide aufs Rütli.

Hansruedi Wieser

Der CVP-Politiker und die SP-Politikerin aus Diepoldsau sind sich einig: «Es war eine schöne, würdige und emotionale Feier, ohne dass sie ins Kitschige abgerutscht wäre.» Das Ganze sei ohne Probleme über die Bühne gegangen. So wie er es erwartet hat, sagt Hans Frei. Er spricht von Momenten, «in denen die Willensnation Schweiz spürbar war». Für Ursula Graf Frei war es «ein schönes Fest mit vielen anderen Eidgenossen».

Calmy-Rey im Mittelpunkt

Die Präsenz von Polizei und Securitas habe man sowohl beim Zutritt zum Schiff in Luzern als auch auf dem Rütli zur Kenntnis genommen. «Sie war aber diskret, auch wenn wir einzelne Kontrollen und Überwachungs-Schwerpunkte festgestellt haben», sagt Hans Frei. Einzelne Angehörige der rechtsextremen Szene seien zwar auf dem Gelände mit dabei gewesen, aber ohne Gepäck und nicht vermummt. «Zudem standen gleich hinter ihnen Polizisten», stellt er fest.

Die Politprominenz sei nicht zu übersehen gewesen, erzählt er. «Unweit von mir stand Micheline Calmy-Rey, die vor allem von weiblichen Fans förmlich bedrängt wurde», lacht Frei. «Da versuchte man gar über andere hinweg zu steigen, um zu ihr zu gelangen.» Keine Geringere als Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz bot dem auf den Rollstuhl angewiesenen Hans Frei ihre Unterstützung beim Fortkommen auf der Wiese an.

Auch wenn das Publikum in der Mehrzahl weiblich war: «Ich hatte nie das Gefühl, an einem Frauenanlass teilzunehmen.»

Beeindruckend sei für ihn als erstmaligen Rütli-Besucher gewesen, dass dieses noch eine ganz normale landwirtschaftlich genutzte Wiese ist und dass keine bombastischen Denkmäler stören. Es sei wohl kein Zufall, dass die Rednerinnen stets dann den grössten Applaus ernteten, wenn sie sich betreffend Rütli für ein auch in Zukunft frei zugängliches Gelände aussprachen.

Auslöser: Ein Internetaufruf

Nebst Ursula Graf Frei und Hans Frei nahmen auch dessen Wahlstabschef Christof Steger aus Altstätten und Wahlstabsmitglied Christof Köppel aus Widnau mit ihren Gattinnen am Rütli-Besuch teil. «Der Entscheid dazu fiel nach dem Studium eines Aufrufes der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) im Internet», sagt Frei. Das sei eine einzige Schmähschrift gewesen, ein Pamphlet, nicht ohne versteckte Drohungen. Man wolle sich nicht weiter unter das kapitalistische und despotische Joch beugen, und deshalb seien alle Nationalisten aufgerufen, an den Feierlichkeiten zum 1. August auf dem Rütli auch unter diesen widrigen Umständen teilzunehmen. «Wir sagten uns, wir helfen mit, diesen Rechtsextremen die Stirn zu bieten», so Hans Frei. Wir wollten zudem aus Überzeugung den Nationalfeiertag an der Geburtsstätte der Schweiz feiern. Es gebe zu denken, «wenn für jedes bedeutende Fussballspiel viel Geld für Sicherheitsmassnahmen vorhanden ist, nicht aber für die Bundesfeier auf dem Rütli».

2000 «Handverlesene»

Hans Frei und Ursula Graf Frei stören sich nicht daran, wenn man sie zu jenen 2000 zählt, die als «handverlesenes» Publikum bezeichnet werden.

«Wir haben uns offiziell via alliance F bei der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft angemeldet. Und dies offenbar rechtzeitig», meint Frei. Dennoch habe er persönlich mit Scharmützeln mit den Rechtsextremen gerechnet: «Die scheuen vor nichts zurück.»