Diese Gewalt macht ratlos

BernerZeitung

standpunkt

Stephan Künzi

Was ist los in Burgdorf? Seit Tagen macht die Emmestadt vor allem mit einem Thema Schlagzeilen: Gewalt, Gewalt und noch einmal Gewalt. Da liegt, ganz aktuell, ein Albaner erschossen auf der Treppe hinab in die alte Bahnhofunterführung. Da kassiert, schon fast zwei Wochen her, eine stadtbekannte Musikerfamilie aus heiterem Himmel Prügel rechtsextremer Jugendlicher. Bereits einige Monate zurück liegen der Schuss gegen einen Rechtsextremen Ende Februar sowie die rätselhafte Schiesserei auf der Lyssachstrasse und das tödliche Familiendrama an der Kirchbergstrasse, beides geschehen im letzten Oktober. Dazu kommt die Prügelei in der Solättenacht von Ende Juni letzten Jahres, bei der ein links denkender Jugendlicher unter die Räder der Rechten kam.

Nun kann man einwenden, das sei sicher alles Zufall, die Umstände der verschiedenen Taten seien sehr vielfältig, das eine habe mit dem andern wenig bis gar nichts zu tun – und sehr wahrscheinlich ist es auch so. Besser wird die Sache damit allerdings nicht. Wer in einer Stadt lebt, in der sich gewalttätige Delikte derart häufen, gerät automatisch ins Grübeln. Und fragt sich ziemlich ratlos: Muss nicht auch ich damit rechnen, unversehens zum Opfer zu werden? Nur weil ich in meiner Stadt zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort unterwegs bin?

Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinderat Anfang Woche ein wichtiges und richtiges Zeichen gesetzt. Mit seinem Entscheid, gewalttätige Leute per Verfügung von ihren Opfern fern zu halten oder eine Zeit lang aus dem einen oder anderen Quartier zu verbannen, macht er klar: Wir sind nicht mehr gewillt, länger zuzusehen, wie gewisse Gruppen Burgdorf als Tummelplatz für ihre Auseinandersetzungen missbrauchen. Er hat, zugegeben vielleicht etwas gar spät, erkannt, dass die sanfte Tour allein zu wenig ausrichten kann. Die Aktion Courage in Ehren – doch was nützen all die Aufrufe, bei Gewaltexzessen hinzuschauen und sich nicht wegzudrehen, wenn es doch immer wieder und vor allem dann passiert, wenn es keiner erwartet? Was nützt ein farbenfroher Samstagnachmittag in der Oberstadt, der Burgdorf nach aussen als fantasievolle und friedfertige Stadt präsentieren soll, wenn die allermeisten Leute doch lieber zu Hause bleiben?

Wieder kann man einwenden, mit dieser Massnahme ziele der Gemeinderat, wenn überhaupt, nur gegen einen Teil der ganzen Problematik, und wieder mag es tatsächlich so sein. Doch in einer Situation, in der die Bevölkerung einer Stadt ohnmächtig einer sich drehenden Gewaltspirale gegenübersteht, ist dies besser als gar nichts. Schon ein kleines Zeichen tut in einer allgemeinen Stimmung der Verunsicherung wohl – auch wenn sich jedermann im Klaren darüber ist, dass die Gewalt so nicht einfach aus der Welt zu schaffen ist.

Dies sollte sich besonders die Kantonspolizei zu Herzen nehmen, die sich nur zu gern hinter der Floskel «Das ist ein laufendes Verfahren» versteckt und schweigt. So passiert nach den Prügeln gegen die Musikerfamilie vor fast zwei Wochen, dabei hätten ein paar beruhigende Worte genügt. «Die Polizei ist wachsam» oder so – und Burgdorf hätte gemerkt: Wir sind nicht allein.