der Öffentlichkeit nie über die rechtsextremen Aktivitäten in seinem Wohnort

Der Bund

gesprochen hat.

Interview: Johannes Wartenweiler

WoZ: In der Region, in der Sie wohnen, kam es Mitte der neunziger Jahre zuverschiedenen rassistisch motivierten Übergriffen. Ist es richtig, dass Sie sich nieöffentlich dazu geäussert haben?
Samuel Schmid: Ich muss vorausschicken, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon seitvielen Jahren kein politisches Amt mehr in der Gemeinde Rüti ausgeübt habe – undalso auch nicht direkt involviert war. Andererseits waren diese Ereignisse natürlichein Gesprächsstoff im Dorf. Ich habe mich allen gegenüber, die mich dazu befragthaben, klar und deutlich geäussert und diese Übergriffe verurteilt. Es ist allerdingsso, dass ich von den Medien nicht nach meiner Meinung befragt wurde – ausser vomKorrespondenten des «Tages-Anzeigers».
Mein Schweigen in der medialen Öffentlichkeit darf auf jeden Fall nicht interpretiertwerden als irgendeine Form von Zustimmung zu rechtsextremen Aktivitäten. Ichlasse mich nicht in die rechtsextreme Ecke drängen.
Eine gewisse Zurückhaltung in Gemeindeangelegenheiten habe ich mir ausserdemauferlegt, seit einer meiner Söhne im Gemeinderat von Rüti politisiert.

Sie sagten 1996 gegenüber dem «Tages-Anzeiger», es gebe in der Region «keineaktive Zelle», und solche Dinge kämen auch in anderen Dörfern vor. Was bedeutetdas?
Ich hatte entsprechende Informationen vom Polizeikommandanten. Man kanngestützt auf polizeiliche Erkenntnisse nämlich davon ausgehen, dass es im KantonBern insgesamt drei Regionen gibt, in denen rechtsextreme Strukturen vorhandensind. Zwar handelt es sich meistens beim Kern nur um wenige Personen mitkriminellen Energien. Darum herum gibt es aber einen Haufen Mitläufer. Die Dörferim Bürenamt sind so gesehen keine Ausnahme.

Es lässt sich im Rückblick eine fremdenfeindliche Tendenz imAbstimmungsverhalten der drei Gemeinden feststellen. So unterstützten sie in densiebziger Jahren alle drei Überfremdungsinitiativen. Sie stimmten gegen dieAnti-Rassismus-Strafnorm und nahmen teilweise die 18-Prozent-Initiative an. Wieerklären Sie sich das?
Ich kann mir das auch nicht erklären. Wir haben nur einen geringen Ausländeranteil,und die meisten Kontakte zwischen Einheimischen und Ausländern sind positiv.

Sie haben auch im Falle des Konfliktes mit dem Lehrer Peter Fasnacht nichtöffentlich Stellung genommen. Warum?
Es handelte sich dabei um ein Verfahren, das vor Gericht hängig war. Als Politikermische ich mich grundsätzlich nicht in ein gerichtliches Verfahren ein.

Teilen Sie die Ansicht der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus,wonach Politiker und Politikerinnen mit deutlichen Stellungnahmen rechtsextremeTendenzen bekämpfen müssen?
Ja, ich teile diese Haltung. Ich habe sie auch innerhalb meiner Partei immervertreten.

Sie unterschrieben 1997 die Motion Gusset, die eine Revision desAnti-Rassismus-Artikels verlangte, und zwar in diesem Sinne, dass dieMeinungsfreiheit im Bereich von Ordnung und Sicherheit in der Schweizsicherzustellen sei. Kritiker bezeichneten dies als Freipass für die Agi- tation gegenFlüchtlinge und AusländerInnen. Das Parlament hat die Motion inzwischenabgelehnt. Wür-den Sie einen entsprechenden Vorstoss wieder unterstützen?
Ich stehe dazu, dass ich damals diese Motion unterzeichnet habe. Ich hatte deutlicheSignale von den Gerichten, die Auslegungsprobleme hatten. Ich hätte allerdings statteiner bindenden Motion lieber ein unverbindliches Postulat eingereicht. Inzwischenhat sich die Gerichtspraxis aber so verfestigt, dass eine Revision dieses Artikelsnicht mehr notwendig ist.

Rechte Übergriffe brachten drei bernische Gemeinden bei Büren an der Aare in dieSchlagzeilen. Bundesratskandidat Samuel Schmid war früher in einem DorfGemeindepräsident.

Johannes Wartenweiler


Einer, der Bundesrat werden will – wie der SVP-Ständerat Samuel Schmid aus Rütibei Bern – darf durchaus an seinem Verhalten in der engen Heimat gemessenwerden. Immerhin wohnt er nicht nur seit Jahren dort, er war von 1974 bis 1982 auchGemeindepräsident im Bauerndorf in der Nähe von Büren an der Aare.

Die drei Dörfer Rüti, Arch und Leuzigen liegen östlich von Büren am Südufer derAare. Die Bauerndörfer haben sich inzwischen zu Wohngemeinden entwickelt fürLeute, die in den umliegenden Städten Solothurn, Grenchen, Biel und Bern arbeiten.Mit Ausländeranteilen von 3,3 Prozent in Rüti, 4,7 Prozent in Arch und 1,7 Prozent inLeuzigen liegen sie deutlich unter dem kantonalen Durchschnitt von 11,5 Prozent.Auffällig ist, dass in diesen Gemeinden seit vielen Jahren ein Misstrauen gegenüberFremden herrscht. Dies lässt sich anhand des Abstimmungsverhaltens bei dreiausländerfeindlichen Initiativen in den siebziger Jahren 1970, 1974 und 1977 (diebeiden letzten fielen in die Zeit von Schmids Gemeindepräsidium) belegen. In allendrei Gemeinden wurden alle drei Initiativen angenommen.

Zwischen 1993 und 1995 ereigneten sich in der näheren Umgebung von SchmidsWohnort verschiedene fremdenfeindlich und rassistisch motivierte Vorfälle:

Im August 1993 beschmieren Jugendliche die Asylbewerberunterkunft von Rüti miteinem Hakenkreuz und dem Slogan «Ausländer raus». Einige Tage später werdenim Asylbewerberzentrum von Arch Scheiben eingeschlagen.

Im Januar 1994 wird in Arch ein Tamile, der in einem Gasthof arbeitet, von einemSkinhead auf dem Weg nach Hause zusammengeschlagen. Hans Peter Messer, derEinzelrichter von Büren an der Aare, veranlasst den Tamilen später zum Rückzugseiner Strafanzeige. Der Täter musste sich im Gegenzug bei ihm entschuldigen.

Bereits wenige Monate später, im Juli 1994, ist der gleiche Skinhead gemeinsam mitfünf Kollegen aus der Umgebung am Überfall auf ein Pfadfinderlager in Archbeteiligt. Sie zwingen die Pfadfinder, sich nackt auszuziehen, die Hand zumHitlergruss zu erheben und rechtsradikale Parolen zu rufen.

Diese Vorfälle sorgten in den Medien für einige Aufregung. Vom Nationalrat vor Ortwaren keine mahnenden Worte zu vernehmen. Dem «Tages-Anzeiger» gegenüberwiegelte er 1996 ab. Es gebe «keine aktive Zelle», und «solche Sachen passierenauch in anderen Dörfern».

Zu jener Zeit wandte sich die Antirassismus-Kommission in einem Brief an diekantonale Erziehungsdirektion, deren Vorsteher Samuel Schmids älterer BruderPeter war. Sie zeigte sich über eine weitere unangenehme Affäre aus dem Bürenamtbesorgt: die Affäre um den Lehrer Peter Fasnacht.

Fasnacht unterrichtete seit mehr als zwanzig Jahren an der gemeinsamenSekundarschule der Gemeinden Rüti, Arch und Leuzigen – zur grossen Zufriedenheitder zuständigen Schulbehörden, die ihm aus Anlass zu seinem zwanzigjährigenBerufsjubiläum ausdrücklich gratuliert hatten. Fasnacht war ein engagierterUmweltschützer und setzte sich gegen Fremdenfeindlichkeit ein. Im Herbst 1993fand er in seinem Klassenzimmer ein Flugblatt mit dem Satz: «Tod der Dreifuss».Anpöbeleien gegen Fasnacht und andere Lehrer folgten, das Klima begann sich zuverhärten, die Schulkommission spielte die Sache herunter – bis die Lehrerbeschlossen, Klage einzureichen. Das brachte keineswegs die erwünschte Klärung.
Der Präsident der Schulkommission wies dem Lehrer eine erhebliche Mitschuld zu,und schliesslich erhielt er von der Sekundarschulkommission Arch/Rüti/Leuzigen dieKündigung. Seit 1998 ist Fasnacht frühpensioniert, seit Dezember 1999 durch dasBernische Verwaltungsgericht wenigstens rehabilitiert. Marc Suter, BielerFDP-Nationalrat und Rechtsvertreter von Fasnacht, zeigte sich im Mai 1996gegenüber dem welschen Magazin «L’Hebdo» überrascht über die Haltung derBevölkerung, die tatenlos zuschaue, wie die Behörden den Ruf des Dorfesdiskreditieren: «Man zeigt mit dem Finger auf das Dorf, weil derSchulkommissionspräsident die Vorgänge verniedlicht und Lehrer zu Sündenböckenabstempelt, die gegen rassistische Tendenzen ankämpfen…». Samuel Schmid hatzu diesen Vorfällen nie öffentlich Stellung bezogen.

Fremdenfeindliche Tendenzen tauchen sehr oft bei autoritätsgläubigen Menschenauf. Umso wichtiger ist es, wie sich die politische Elite gegenüber Fremdenhass undRassismus verhält. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hatverschiedentlich von den PolitikerInnen klare Stellungnahmen gegen diesePhänomene verlangt – zuletzt in ihrer Stellungnahme zurRechtsextremismus-Debatte im September 2000. Ganz in ihrem Sinne dürfte esdeshalb auch gewesen sein, dass Bundespräsident Adolf Ogi nach dem Aufmarschder rechtsextremen Szene auf dem Rütli am 1. August im «Blick» sehr deutlichwurde. «Die Neonazis dürfen keine Chance haben», schrieb er am 3. August. Und:«Es ist jetzt an der Zeit, dass alle Demokraten gegen solche Kräfte entschlossenStellung beziehen.» Von Samuel Schmid sind derartig klare Worte nicht überliefert.