Das Ende der Pnos, aber nicht das Ende der Berner Rechts­extremen

Der Bund.

Die Pnos war vor allem im Oberaargau aktiv. Politisch spielte sie schon länger keine Rolle mehr – oder vielleicht doch?

Vielleicht lässt sich die Geschichte des Niedergangs der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) am Beispiel von Markus Kozisek erzählen. Bis die Parteiwebsite am Mittwoch vom Netz genommen wurde, war Kozisek noch als Beisitzer der Sektion Bern aufgeführt. Aber davon, dass seine Partei gar nicht mehr existiert, weiss er am Donnerstagmorgen noch nichts. «Das erfahre ich jetzt gerade», sagt er am Telefon.

Wie der «Blick» berichtete, hat sich die rechtsextreme Pnos aufgelöst. In einem Schreiben an die «Parteigenossen» begründete dies Präsident Florian Gerber mit «marode gewordenen internen Strukturen» sowie der Pandemie, die es verunmöglicht habe, grössere Zusammenkünfte zu organisieren.

Der guten Laune von Kozisek tut die Nachricht von der Auflösung keinen Abbruch. Sonderlich überrascht scheint er auch nicht zu sein. Es stimme schon, sagt er dann, daheim liege noch ein Brief der Pnos, den er noch gar nicht geöffnet habe. «Da steht das wohl drin.»

Gemäss seinen eigenen Worten war Kozisek zwar ein offizielles Mitglied, er zahlte auch regelmässig den Jahresbeitrag, «glaubs hundert Stutz». Aber so richtig sei er doch nicht dabei gewesen. Seit er vor vier Jahren für den Grossen Rat kandidiert habe, habe er kaum noch Kontakt gehabt. An Versammlungen habe er nicht teilgenommen. 

Kein Personal mehr

Beisitzer Kozisek und seine Unkenntnis über das Ende der Partei könnten also ein Sinnbild dafür sein, dass die Pnos unter Auflösungserscheinungen litt. Und dafür, dass ihr allmählich das Personal ausging. Hans Stutz, Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene, ist jedenfalls nicht überrascht vom Ende der Pnos. «Die Partei war bereits im vergangenen Jahr nur noch wenig aktiv», sagt der Luzerner. Das habe man auch auf der Website sehen können, ebenso auf Facebook.

Offensichtlich sei auch, dass sie ihre gesellschaftliche Basis verloren habe. «Die Pnos entstand aus der Subkultur der Naziskinheads.» Diese sei verschwunden – «abgesehen von ein paar alternden Männern, die ihre Jugendzeit weiter spielten». Auch die verschiedenen Strafverfahren gegen Mitglieder hätten wohl abschreckend gewirkt.

Vor vier Jahren sah das noch anders aus. Da war die Pnos im Kanton Bern aktiv, sogar bei den Wahlen. Im Oberaargau kandidierten acht Männer auf der Pnos-Liste für den Grossen Rat, erreichten allerdings nur einen Wähleranteil von 1,8 Prozent.

Der Kandidat für den Regierungsrat, Yannic Nuoffer, landete mit Abstand auf dem letzten Platz. Im folgenden Jahr kandidierten Gerber und Nuoffer für den Ständerat und landeten ebenfalls auf hinteren Rängen. Nuoffer war Vorsitzender der Berner Sektion.

Hochburg im Oberaargau

«Der Oberaargau war das Stammland der Pnos», sagt Beobachter Stutz, der die Pnos seit ihren Anfängen im Jahr 2000 verfolgt. Seit Ende der 1980er-Jahre sei in Langenthal eine rechtsextremistische Szene aktiv gewesen. «Die Pnos war ihre bedeutendste Organisation.»  

Eine Zeit lang sei auch das Berner Oberland eine Hochburg gewesen. Die einstigen Sektionen aus den Berner Landesteilen gingen aber allmählich in der Sektion Bern auf: Emmental, Oberland, Seeland, Stadt Bern, Oberaargau.

Während Jahren war mit dem Roggwiler Dominic Lüthard ein Oberaargauer das Gesicht der Partei. Dessen Bruder Pascal Lüthard war «Stützpunktleiter» der Sektion Bern. Der letzte Präsident Gerber ist ebenso ein Oberaargauer. Und als 2004 Pnos-Mitglied Tobias Hirschi in den Stadtrat gewählt wurde, machte Langenthal national Schlagzeilen. Hirschi blieb vier Jahre. 2008 wurde Timotheus Winzenried für die Pnos gewählt, welcher nach einem Jahr aber schon wieder zurücktrat.

Dass der Pnos in Langenthal der Sprung ins Parlament gelang, macht Hans Stutz an der geringen Stimmbeteiligung fest. Sie lag 2004 bei rund 35 Prozent. Damit hätten der Pnos schon sehr wenige unveränderte Listen gereicht – es waren 36. 

Stutz wurde damals überrascht von der Wahl, wie er in einem Interview mit der «Berner Zeitung» sagte. Gleichzeitig gab er damals eine Prognose ab, die sich bewahrheiten sollte: «Beispiele in Deutschland zeigen, dass Rechtsextreme in Parlamenten bisher durch Unfähigkeit und Wirkungslosigkeit aufgefallen sind.»

Keine Stricke zerrissen

Mindestens was die Wirkungslosigkeit angeht, bestätigt der Langenthaler Stadtpräsident Reto Müller (SP) diese Einschätzung. «Die Pnos konnte in der etablierten Politik von Langenthal nie Fuss fassen.» Mit ihren wenigen Vorstössen habe sie keinen Erfolg gehabt, sie sei im Stadtrat isoliert gewesen. Das habe auch in ihrer Veranlagung gelegen, weil sie schliesslich gegen das System gewesen sei, in dem sie mitgemacht habe.

Seit dem Ausscheiden aus dem Stadtrat seien die Pnos und ihre Exponenten nie mehr in Erscheinung getreten, sagt Müller. In Langenthal nehme man auch keine rechtsextreme Bewegung mehr wahr. Offene Konflikte wie in den 80er- oder 90er-Jahren gebe es keine mehr, ebenso keine Auffälligkeiten von rechts oder links. «Wir haben einen hohen Ausländerinnen- und Ausländeranteil», sagt der Stadtpräsident, «und ein enorm friedliches Miteinander.»

Das Verschwinden der Pnos bedeute allerdings nicht, dass es diese Leute oder die Meinungen nicht gebe. «Wir müssen auch weiterhin wachsam sein und genau hinschauen», sagt Reto Müller. Florian Gerber kündigte in seinem Brief an die Mitglieder an, dass man nun «alternative Wege gehen» wolle. «Neue, zukunftsweisende Projekte sind es, in welche wir unsere Energie investieren und uns beteiligen wollen, jedoch ohne namentlich in Erscheinung zu treten», heisst es. So sei man daran, ein Folgeprojekt aufzubauen.

Aus der Zeit gefallen

Ein Comeback kann sich Beobachter Hans Stutz allerdings nur schwer vorstellen. «Ich wüsste nicht, in welche Richtung das gehen sollte.» Mit dem nationalsozialistischen Hintergrund ihrer Anfangszeit entspreche die Pnos nicht mehr den aktuellen Tendenzen innerhalb der rechtsextremen Szene. «Diese Vorstellungen orientieren sich am Gedankengut der Identitären und Neuen Rechten.» Diese würden in der Deutschschweiz etwa durch die «Junge Tat» verkörpert. 

Diese Zeitung versuchte am Donnerstag, verschiedene einstige Pnos-Exponenten zu sprechen. Die ehemaligen Präsidenten Lüthard und Gerber waren nicht zu erreichen. Der Berner Vorsitzende Yannic Nuoffer sagt, er möchte sich weiterhin engagieren, aber nun vermehrt auf Gemeindeebene und ausserhalb von Parteistrukturen.

Von den acht Personen, die 2018 für den Grossen Rat kandidierten, tritt dieses Jahr keine auf einer anderen Liste an. Also auch nicht bei der Gruppe «Aufrecht Bern» – was Beobachter Stutz nicht erstaunt. «Diese Liste hängt konjunkturell sehr eng mit den Corona-Massnahmen-Kritikern zusammen.» Er glaubt auch nicht, dass sich «Aufrecht» länger halten könne.

Keine Probleme in der Gemeinde

Die Pnos existierte 21 Jahre. Markus Kozisek, der letzte Beisitzer, erlebte einige mit. «Jede Partei hat gute und schlechte Seiten», sagt Kozisek. Er selbst fand die meisten guten offenbar bei der Pnos. Der Heimatschutz und der Landschaftsschutz lägen ihm am Herzen, die «masslose Überbauung» des Landes ist ihm ein Dorn im Auge, das brachte ihn zur Partei. Was ihn stört: «Nur weil man zur Schweiz schaut, gilt man als rechtsextrem oder rechtsradikal.» Er sei das nicht.

Kozisek wurde 2013 in den Gemeinderat von Inkwil gewählt, allerdings als Parteiloser. Damit war der Landschaftsgärtner mutmasslich noch der einzige Pnos-Vertreter in einem politischen Amt. In der Gemeinde sei er wegen seiner politischen Meinung aber nie angegriffen worden. «Da kann man gut diskutieren.» Er ist immer noch Gemeinderat.

Dann muss Markus Kozisek das Gespräch beenden, die Arbeit ruft. Am Abend, das sagt er noch, werde er daheim den Pnos-Brief öffnen.