Coronavirus: Hier sind Europas Skeptiker am aktivsten

nau.ch

Das Coronavirus ruft erneut Skeptiker auf den Plan – und sie werden aggressiver. Anhänger finden sich in Europa vor allem im deutschsprachigen Raum.

Rowena Goebel

Die Skeptiker der Corona-Massnahmen und Verschwörungstheoretiker radikalisieren sich zunehmend. In ihren Chats auf dem Messaging-Dienst Telegram tauchen immer öfter Bedrohungen und Nachrichten mit gereiztem Ton auf. Das Bundesamt für Polizei Fedpol zeigt sich äusserst besorgt.

Hierzulande gibt es – verglichen mit anderen europäischen Ländern – offenbar eine besonders laute Szene.

Und deren Anhänger seien besonders affin für Verschwörungstheorien, sagt Sozialwissenschaftler Marko Kovic gegenüber Nau.ch. «Das heisst, sie glauben sehr stark an diese Geschichten.»

Am meisten Anhänger haben die europäischen Skeptiker laut Kovic mengenmässig in Deutschland. Das liege einerseits daran, dass es dort auch schlicht viele Menschen gibt. «Andererseits gibt es in der Schweiz wie auch in Deutschland eine historisch starke Verschwörer-Szene mit vielen sogenannten ‹alternativen Medien›.»

«In der Schweiz gibt es einen Grundstock an Irrationalität»

In dieser Szene gibt es gemäss Kovic Verbindungen zu Alternativmedizinern, die Impfungen für schädlich halten und sich so in Verschwörungstheorien verlieren würden, denn: «Irgendjemand muss ja damit etwas Böses im Schilde führen» – seien deren Gedankengänge.

Doch auch Rechtsextremismus schwinge mit: Antisemitische Verschwörungstheorien halten sich im deutschen Sprachraum hartnäckig. Kurzum: «In der Schweiz und auch in Deutschland gibt es einen recht hohen Grundstock an Irrationalität.»

In Deutschland werden die Proteste der Corona-Skeptiker vermehrt von Neonazi-Gruppierungen unterwandert. Nicht so in der Schweiz: «Hierzulande ist die Szene nicht rechtsextrem», beobachtet Kovic. «Doch das heisst nicht, dass sie ungefährlich ist. Die Gewaltandrohungen nehmen zu – es ist nicht so, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.»

Weniger Skeptiker, wo das Coronavirus besonders stark wütete

Doch wie sieht es im restlichen Europa aus? Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich waren und sind besonders stark vom Coronavirus betroffen. Mit Ausgangssperren und scharfen Lockdowns gingen die Massnahmen dort teils weiter als in der Schweiz.

Aus diesen Ländern hört man kaum von Demonstrationen mit verschwörerischem Gedankengut. «Das hat sicherlich auch mit der Sprachbarriere zu tun», erklärt Kovic. «Auch dort kursieren solche Verschwörungstheorien und Memes im Internet.»

Allerdings: «Dass das dann auch in die Realität übergeschwappt ist, mit Menschen, die sich zu Protesten organisieren, das konnte man tatsächlich weniger beobachten.» Der Sozialwissenschaftler mit Spezialgebiet Verschwörungstheorie vermutet, das habe damit zu tun, dass man das Coronavirus dort mehr gespürt habe. «Da war klar: Das ist kein Fake.»

Spannungen gibt es aber auch dort: In Barcelona haben am Freitag Hunderte gegen die Schliessung von Bars protestiert. Auch in Italien und Frankreich kam es über das Wochenende zu Kundgebungen gegen die Corona-Politik der Regierungen.