Ausschaffung in Flüchtlingslager?

Der Bund

grosser Rat / Straffällige Asylbewerber aus dem Kosovo sollten in Flüchtlingslager inAlbanien und Mazedonien ausgeschafft werden: Diesen völkerrechtswidrigen Vorschlag hatten im Juni 1999 Adrian Amstutz (svp), JürgSchürch (fdp) und Bernhard Hess (sd) gemacht. Der Grosse Rat lehnte das Postulat gestern ab – mit 72 zu 71 Stimmen.

Autor: Stefan Wyler

Das Thema «kriminelle Ausländer» ist ein Reizthema. Vorstösse dazu bringen die Rechtsaussenparteien in regelmässigen Abständen, undim Normalfall werden diese nach einer stereotyp verlaufenen Debatte abgelehnt. So ging es gestern den Vorstössen von Ernst Brönnimann(sd, Köniz) in Sachen «Kulturschock-Kriminalität» und dem Vorschlag von Bernhard Hess (sd, Bern) für «Sammelunterkünfte» fürkriminelle und renitente Asylbewerber.

Die längste Debatte
Für die längste und emotionalste Asyldiskussion aber sorgte gestern ein Freisinniger. Jürg Schürch (Huttwil) begründete das Postulat, daser gemeinsam mit Adrian Amstutz (svp, Sigriswil) und Bernhard Hess (sd, Bern) am 21. Juni 1999 eingereicht hatte: Die Regierung, soverlangten die drei, sollten «sich dringend mit den Bundesbehörden in Verbindung setzen, damit kriminelle Asylbewerber aus demKosovo wieder aus der Schweiz ausgewiesen werden können. Solange eine Rückschaffung direkt in den Kosovo nicht möglich ist,sollten die kriminellen Personen vorübergehend in die Flüchtlingslager in Mazedonien und Albanien geschafft werden.»

Seit der Einreichung des Postulats hat sich die Kosovo-Krise entspannt. Die riesigen Flüchtlingslager, in die im Frühjahr 1999Hunderttausende vor der serbischen Vertreibung geflohen waren, gibt es nicht mehr. Seit Mitte Januar 2000 können zudem abgewieseneAsylbewerber aus dem Kanton Bern wieder direkt in den Kosovo zurückgeschafft werden.

Schürchs Auftritt
Postulant Jürg Schürch hielt gestern in einem emotional vorgetragenen Votum an seinem Vorstoss fest. Es gehe, sagte er, nicht nur umAsylbewerber aus dem Kosovo, sondern auch aus andern Staaten. Wenn gewisse Länder kriminelle Asylbewerber nicht zurücknähmen,dann müsse man diesen halt alle Kredite und Entwicklungshilfe streichen, «bis sie begreifen». Und die Asylbewerber, die sich einerAusweisung entzögen, die müsse man «einpferchen» – beispielsweise in Militärkavernen im Grimselgebiet.

Weiter schimpfte der freisinnige Huttwiler Grossrat über die Beamten des Bundesamts für Flüchtlinge («die trägsten Typen»), und erempfahl diesen, «einmal den Finger herauszunehmen».

Portmanns Erklärung
Schürchs Votum erntete nicht nur entsetzte Kommentare von links, es trieb auch FDP-Fraktionschef Rolf Portmann ans Rednerpult.Schürchs Sprachregelung entspreche nicht der FDP-Sprachregelung, erklärte er.

Der Regierungsrat hielt den Vorschlag, Kosovo-Albaner in mazedonische und albanische Flüchtlingslager auszuschaffen, zwar fürvölkerrechtswidrig, er wollte das Postulat dennoch entgegennehmen. Eine Ablehnung des Vorstosses würde ein falsches Signalaussenden, sagte Polizeidirektorin Dora Andres. Die Regierung bemühe sich schliesslich, gemeinsam mit dem Bund, Lösungen für dieAusschaffung straffälliger Asylbewerber zu finden.

«Unwürdig, billig»
Ablehnung des Postulats beantragte jedoch Regula Rytz seitens des Grünen Bündnisses. Straffällige Asylbewerber in Flüchtlingslagerabschieben sei «Sankt-Florians-Politik, unwürdig, billig, populistisch», sagte sie. Gegen das Postulat traten auch SP, GFL und EVP ein.
GFL-Sprecherin Marianne Morgenthaler (gfl, Worb) versuchte, in einem historischen Abriss darzulegen, warum viele junge Männer ausdem Kosovo straffällig würden. Die serbische Unterdrückungspolitik und die schweizerische Einwanderungspolitik hätten dazu geführt,dass viele junge Kosovo-Albaner als Asylbewerber in die Schweiz gekommen seien – aus einer klar definierten gesellschaftlichen Situation«in ein Nichts». Ärger über straffällige Asylbewerber sei verständlich, sagte Otto Mosimann (evp, Bern). «Aber was hier vorgeschlagenwird, ist nicht legal.»

Unterstützung für das Postulat kam seitens der FPS/SD und der SVP. «Hören wir doch, wie es tönt im Volk», sagte SVP-Sprecher RolfSinger (Utzenstorf). Die Polizei, meinte er, sei daran zu resignieren, weil straffällige Asylbewerber mit Samthandschuhen angefasstwürden.

72 Nein, 71 Ja
Am Ende scheiterte das Postulat Amstutz/Schürch/Hess mit dem knappsten aller Resultate. Mit 72 gegen 71 Stimmen wurde der Vorstossabgelehnt. FPS/SD, EDU, fast die ganze SVP und einzelne Freisinnige stimmten für den Vorstoss. Die Ratslinke, die EVP und einigeFreisinnige stimmten dagegen.