Auch St. Galler Skins auf dem Rütli?

St. Galler Tagblatt

Rechtsextreme Gruppierungen lassen sich kaum regional eingrenzen

Beim Aufmarsch der Rechtsextremen am 1. August auf dem Rütli wurden Neonazis mit der St. Galler Kantons-fahne abgelichtet. Wie steht es mit der braunen Szene in der Region?

Andreas Kneubühler

Nach dem Aufmarsch auf der Rütli-Wiese zogen die Rechtsextremen durch Brunnen. Auf Pressefotos ist zu sehen, dass dabei die St. Galler Kantonsfahne mitgetragen wurde. «Das Foto muss nicht bedeuten, dass ein St. Galler dabei war», präzisiert Hans Stutz, Kenner der rechten Szene. Die Rechtsextremen hätten den Anspruch, die ganze Schweiz zu vertreten und deshalb wohl alle Kantonsfahnen dabei gehabt, vermutet er.

Wie ist der Organisationsgrad der St. Galler Rechtsextremen? «Bei uns gibt es mehrere kleinere Szenen, zu denen 30 bis 40 Leute gezählt werden können», erklärt Hans Eggenberger, Sprecher der St. Galler Kantonspolizei. Deren Aktivitäten seien «sehr gering», stellt er fest. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es keine Vorfälle gibt. Der letzte grössere Aufmarsch liegt schon einige Jahre zurück. Im August 2000 standen in der Stadt St. Gallen 50 aus der ganzen Schweiz angereiste Skins 80 Schwarzafrikanern gegenüber. Die Polizei konnte grössere Ausschreitungen verhindern. Zu den Provokateuren hatte der nach einem Auftritt auf dem Rütli schweizweit bekannte Thurgauer Hammerskin Pascal Lobsiger gehört. Er wurde wegen Raufhandels zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Grenzüberschreitend aktiv

Für 2004 sind im Verzeichnis der rassistischen Vorfälle der Schweiz verschiedene Geschehnisse im Kanton St. Gallen festgehalten. Im Juni 2004 griffen in Grabs rechtsextremistische Jungendliche eine Gruppe von linken Jugendlichen und Erwachsenen an; sie schlugen mit Zaunlatten drein und fuhren mit dem Auto auf die Angegriffenen los. Es gab Verletzte. In Heerbrugg provozierten Jugendliche an einem Fest mit dem Hitlergruss. In Flawil wurde ein grosses Hakenkreuz in den Teer gebrannt.

Im Kanton St. Gallen gebe es Mitglieder des Patriotischen Ostflügels (POF), weiss Hans Stutz. Die 1995 gegründete Organisation, die den Hammerskins nahe steht, veranstaltet jeweils im Frühling ein Fest, meistens im Kanton Thurgau. Viel mehr mache sich die Gruppe allerdings nicht bemerkbar, sagt Stutz. An die Veranstaltung mit rund 200 Teilnehmenden reisen jeweils Nazi-Skins aus Deutschland, Österreich und Frankreich an.

Der POF produziert ein Skin-Magazin namens «Morgenrot», Aktivisten spielen in der Skinhead-Band «Erbarmungslos» mit. Allerdings lässt sich die rechtsextreme Szene nicht regional einschränken. St. Galler Neonazis pflegen Kontakte in der ganzen Deutschschweiz und sind auch in die aktiven Gruppierungen in Vorarlberg oder im süddeutschen Raum eingebunden.

Noch kein Pnos-Ableger

Im Extremismusbericht 2004 des Bundes wird die Zahl der rechtsextremen Gruppierungen im Kanton St. Gallen mit sechs beziffert. Darunter sind verschiedene kleine Organisationen wie die Toggenburger oder St. Galler Skinheads sowie die Skinheads Werdenberg. Als zerschlagen gelten die Eschenbach-Front, die Heimatfront oder die Oi-Front. Die früher von Graubünden aus im Rheintal aktive Rheinfront sei praktisch aufgelöst, stellen die Staatsschützer fest.

Bisher ist im Kanton St. Gallen kein Ableger der Partei der National Orientierten Schweizer (Pnos) aktiv geworden. Diese extremen Nationalisten haben sich bisher vor allem im Mittelland bemerkbar gemacht. Im Thurgau gibt es allerdings mit den Freien Schweizer Patrioten eine ähnliche Partei. Deren Exponent Fabian Häusermann trat 2004 in Frauenfeld zur Stadtammann-Wahl an. Momentan scheint die Partei vor allem mit einem internen Streit um die Parteiführung beschäftigt zu sein. Zum gleichen Dunstkreis dürfte auch Rafael Hädinger, der parteilose Kandidat bei der Arboner Stadtammann-Wahl, zu zählen sein.

Einer der gewalttätigsten Angriffe durch Rechtsextreme geschah 2003 in Frauenfeld. Neonazis hatten zwei Jugendliche angegriffen, die im Eisenwerk ein Ska-Konzert besucht hatten, und sie schwer verletzt. Die Täter wurden gefasst; einer beging in der Untersuchungshaft Selbstmord, gegen die übrigen beginnt Ende August der Prozess. Das Ereignis zeigte die Gewaltbereitschaft der Szene, belegt aber auch, wie stark die rechtsextremen Schläger vernetzt sind: Die Angeklagten stammen alle aus dem Kanton Zürich.