Angeschuldigter im Solterpolter-Prozess

BernerZeitung

Bei Hammerskins beworben

Der 23-jährige Hauptangeschuldigte im Solterpolter-Prozess gibt sich unpolitisch. Er sei «aus Spass» Skinhead gewesen. Vor vier Jahren aber wollte der junge Mann Mitglied der militanten Hammerskins werden.

Bernhard Ott

Für Politik habe er sich nie interessiert, sagte der Hauptangeschuldigte im Solterpolter-Prozess diese Woche vor dem Kreisgericht Bern-Laupen. Es habe sich eben «einfach so» ergeben, dass er zu einer Neonazigruppe gestossen sei. Gemäss psychiatrischem Gutachten litt der junge Mann wegen seiner Legasthenie an mangelndem Selbstwertgefühl, das er in der Skinheadgruppe kompensiert habe.

Geschöntes Bild

Das harmlose Bild, das der Täter gegenüber dem Gericht vermittelt, ist offensichtlich geschönt: «Der Mann hat sich vor vier Jahren um die Mitgliedschaft bei den Hammerskins beworben», sagt Szenenkenner Jürg Frischknecht auf Anfrage. Er habe damals im Zuge einer Recherche Einblick ins entsprechende Aufnahmeformular erhalten. «Es war ein langer Fragebogen, der vom heute Angeschuldigten handschriftlich ausgefüllt wurde», sagt Frischknecht. «Von einer Legasthenie habe ich nichts bemerkt». Ob der Bewerber schliesslich in die militante Skinheadformation aufgenommen wurde, kann Frischknecht heute nicht sagen.

Bestreiten ist üblich

Heute wollen alle drei Angeschuldigten mit der Skinheadszene nichts mehr zu tun haben. Für Hans Stutz, einen weiteren Beobachter der Szene, ist das nicht erstaunlich. «Ich habe noch nie einen Skinhead erlebt, der vor den Behörden zu seiner Gesinnung gestanden ist», sagt Stutz auf Anfrage. Es sei unter Skinheads «absolut üblich», sowohl die angeschuldigten Taten als auch die Gesinnung zu bestreiten. Das Darstellen von Gewalttaten als «Lausbubenstreiche» entspreche einer «Verteidigungsstrategie» vor Gericht. Ob die verkündete Distanzierung vom Rechtsextremismus auch zutreffe, werde meist erst «Jahre später» klar, betont Stutz.

180 Extremisten im Kanton

Gemäss Polizei ist die Zahl der Rechtsextremisten im Kanton Bern von 1998 bis 2000 von 80 auf 180 angewachsen. 2001 sei die Zahl konstant geblieben. Landesweit werden gegen 800 Personen zum harten Kern der Szene gezählt. Über die Dunkelziffer wollte Jürg Niederhauser, Kommandant der Kantonspolizei, in einem Interview letztes Frühjahr keine Angaben machen. «Es gibt einen fliessenden Übergang zu anderen Gruppierungen wie zum Beispiel den Hooligans bei Fussballspielen», sagte Niederhauser.

«Harter Kern» der Skins

Die Hammerskins gehören gemäss Kantonspolizei zum «harten Kern der Rechtsextremisten». Rund 50 der 180 identifizierten Rechtsextremisten im Kanton Bern zählen gemäss neuesten Zahlen zu Gruppierungen wie den Hammerskins, die «überregionale Bedeutung» aufweisen. «Die Gefahr dieser Formationen liegt weniger in der Zahl ihrer Mitglieder als vielmehr in ihrer Funktion», sagte Kapo-Kommandant Jürg Niederhauser dieses Frühjahr gegenüber der Presse. Die Gruppen führten Veranstaltungen und Rockkonzerte durch, an denen einschlägiges Propagandamaterial verteilt werde. Auch Hans Stutz stellt fest, dass die extremistischen Botschaften eher an Rockkonzerten denn an Vorträgen weitergegeben werden. «Die Liedtexte von Gruppen mit Namen wie oder geben die Botschaft weiter», sagt Stutz.

Politisierung im Gang

Gemäss Stutz sind Bestrebungen im Gang, die rechtsextreme Szene «ideologisch zu festigen». Am unter Skinheads beliebten «Spiel von öffentlicher Distanzierung und unveränderter Weltanschauung» werde dies indes nicht viel ändern.