Abrechnung unter Neonazis: Wollte der Tote bei der Polizei

Blick

auspacken?

Die Viererbande hat den Mord eiskalt geplant

VON MARKUS STEUDLER

UNTERSEEN BE – Die schreckliche Erkenntnis derUntersuchungsbehörden: Der brutale Mord am rechtsextremen Marcelvon Allmen (19) durch Gesinnungsgenossen war eiskalt geplant.

DERTATORT: Ruine Weissenau am Ufer des Thuner SeesAm Tag, an dem das Radio den Fundder Leiche vermeldete, verliessMarcel M.* die Arbeit ungewohnt früh.Wenige Stunden später sass er bereitsin Haft – abgeführt von fünf Beamtender Eliteeinheit «Enzian» in seinerStammbeiz, wo er zusammen mitMichael S.* beim Bier sass. «Beidewaren sehr schlecht gelaunt», sagt einGast. Die zwei mutmasslichen Mörderhatten ihre Verhaftung vorausgesehen.

Die Polizei schlug am selben Abendnoch zwei weitere Male zu. Seithersitzen auch der 22-jährigeFüsiliers-Korporal Reto S.* und der17-jährige Alexis T.* inUntersuchungshaft. Alle vier sindgeständig, bei der Tötung des19-jährigen Marcel von Allmen am 27.Januar beteiligt gewesen zu sein undseine Leiche im Thuner See versenktzu haben. Noch schrecklicher: DieUntersuchungsbehörden gehen nachüber 200 Einvernahmen von einergeplanten Tat aus. Auch die bisherbekannten Indizien deuten auf einkaltblütig vorbereitetes Verbrechenhin:

  • Die Täter fuhren mit dem Opfer per Auto zum Tatort.
  • Der Tatort, die Ruine Weissenau, liegt fernab vom bewohnten Gebietversteckt in einem Wald am Ufer des Thuner Sees.
  • Auf der Höhe der Beatushöhlen, wo die Leiche ins Wasser geworfenwurde, liegt eine der tiefsten ufernahen Stellen des Thuner Sees, auf demLandweg nicht erreichbar.
  • Auch die Gewichte an von Allmens Füssen lassen klar auf Vorbereitungenschliessen.

Zudem starb von Allmen an Verletzungen, die ihm mit einemSchlagwerkzeug zugefügt wurden. Dabei waren Marcel M. und Michael S.Kampfsportler. «Michael S. ist ein hoch begabter Kickboxer. Der brauchtkeine Gegenstände, um jemanden niederzuschlagen», bestätigt ein Freundvon ihm. Ausser, das Ziel war «Fönis» Tod …

Doch was trieb die Rechtsextremen zur Tat? Von Allmen wollte dierechtsextremen Kreise verlassen. Doch das genüge als Motiv nicht, sagt einGesinnungsgenosse: «Da steckt mehr dahinter. Föni erwähnte einmal, dassviele in den Knast kämen, wenn er bei der Polizei auspackte.» Hatte dasOpfer seinen Mördern mit Polizei gedroht?

Über mögliche Straftaten, die von Allmen hätte aufdecken können,zirkulieren in Unterseen Gerüchte. Gegenüber einer Freundin erwähnte derSanitärinstallateur, seine Kumpel hätten einem Ausländer einen Fingerabgehackt. Andere wollen wissen, dass von Allmen Zugang zu hartenDrogen hatte. Auf dem «Bödeli» – dem beschaulichen Gebiet zwischenThuner und Brienzer See – ist die Verunsicherung gross. «Bis bekannt war,dass die vier Verhafteten wohl die alleinigen Täter sind, hatten viele ElternAngst, dass die Polizei als nächstes ihr Kind abholen würde», sagt SimonMargot, Gemeindepräsident von Unterseen. Eine rechtsextreme Szene hatdie Bevölkerung nie wahrgenommen. Hier, wo jeder jeden kennt.

Und dennoch nistet sich im idyllischen Interlaken eine Art rechtsextremeSzene ein. «Unser Ziel ist es, zu wachsen und später politisch aktiv zuwerden», sagt ein Szenemitglied. Davon wollen sich die Glatzen nichtabhalten lassen. Gemeindepräsident Margot hofft, dass die aufgeflogenenRechtsextremen nicht die Spitze des Eisbergs seien und räumt ein: «Wirwurden wohl auf dem falschen Fuss erwischt.»

Marcel von Allmen rutschte im Sommer 2000 in die braune Szene. «Föniwar noch nicht lange dabei, stieg aber steil auf. Er sollte neue Mitgliederanwerben», sagt das Szenemitglied. Der wegen vier Schüssen auf einenPolizisten vorbestrafte Neonazi Marcel M. gilt als führender Kopf. Auch derhalbwaise 22-jährige Aushilfe-Türsteher und Maurer Michael S. ist seitlängerem dabei. Bei ihm wurde unter anderem eine Kiste mit Nazi-Videosgefunden. Tragisch scheint die Rolle des jüngsten Täters, des 17-jährigenAlexis T. Ein Skinhead: «Wegen seiner arabischen Abstammung musste ersich stark für die Gruppe einsetzten.» Seinen Einsatz wird T. bis an seinLebensende büssen. *Namen der Redaktion bekannt