Knall bei Coronaleugnern: «Durch so Scheisse werden wir lächerlich gemacht»

Watson.

Es knallt gewaltig in der deutschen «Querdenken»-Szene: Ein Insider stellt die Führung als Abzocker und Betrüger dar, es gehe den Köpfen vor allem um Profit. Eine brisante Wutrede.

Gegen die Führung der «Querdenken»-Bewegung gibt es neue scharfe Angriffe aus den eigenen Reihen. Der Kölner Jurist Gordon Pankalla, Gründer der massnahmenkritischen «Anwälte für Aufklärung», holt zu einem Rundumschlag gegen Michael Ballweg, Bodo Schiffmann und Ralf Ludwig aus.

Pankalla äussert sich in einem 80-minütigen YouTube-Interview. Über weite Strecken ist es eine Wut-Rede durchsetzt mit Schimpfwörtern. «Wir haben sehr viel Zeit verloren durch diese Idioten», so Pankalla, der weiterhin viele Corona-Massnahmen für nicht angemessen hält. Im Interview spricht er mit Anni Höhne. Sie war früher tief drin in der Szene und betreibt den Kanal mit dem Journalisten Martin Lejeune, der zeitweilig auch als Aktivist unterwegs war und auf t-online exklusiv seinen Ausstieg erklärt hatte.

«Was Lejeune da gesagt hat, kann ich unterschreiben», erklärt nun Pankalla. «Die Leute spitzen zu und skandalisieren. Sie verkünden Sch… mit ‚Skandal! Skandal! Skandal!‘, um ihren Spendenlink drunterzuknallen.» Querdenken sei das Geschäftsmodell von ein paar Leuten. «Die Menschen mit berechtigten Anliegen sind den Falschen nachgelaufen.»

Besonders mit drei «Querdenkern» rechnet er in dem Video ab: Ralf Ludwig, Michael Ballweg und Bodo Schiffmann. Pankalla bestätigte t-online auf Nachfrage seine Vorwürfe und sagt: «Die Bewegung ist auseinander gebrochen, weil die Menschen erkannt haben, dass man mit solchen Leuten nichts anfangen kann.» Menschen hätten Hoffnungsträger unterstützen –  aber sie nicht zu Millionären machen wollen. Und für Kritik gebe es dort keinerlei Offenheit, «darüber wollte mit mir niemand reden».

Pankalla über Ludwig: Ralf Ludwig ist für «Querdenken»-Gründer Michael Ballweg der Mann fürs Juristische. Pankalla stand Ludwig nah, jetzt wirft er ihm Betrug vor. Mit dem Verein «Klagepaten» habe Ludwig versprochen, Menschen ohne die nötigen Mittel bei juristischen Problemen wegen der Corona-Massnahmen zu helfen und dafür Geld eingeworben.

«Leute bekamen nie Rückmeldung»

Tatsächlich sei ihm kein einziger solcher Fall bekannt. «Bei mir und bei weiteren Anwälten haben sich viele Leute gemeldet, die sich an die ‹Klagepaten› gerichtet und nie eine Rückmeldung erhalten haben.» Schnelle Rückmeldung habe dagegen erhalten, wer eine Rechtsschutzversicherung hatte – also Geld einbrachte.

Pankalla war einer der Gründer und Sprecher des Zusammenschlusses «Anwälte für Aufklärung», dem auch Ludwig früh angehörte und von dem er heute noch sagt: «Da sind viele Kollegen dabei, die ich sehr schätze». Ludwig war dabei, gründete aber auch «Klagepaten». Dafür nutzte er eine Infrastruktur, die er zuvor in Leipzig aufgebaut hatte, um reihenweise Kindergartenplätze einzuklagen.

Bei den massenhaft eingegangenen Anfragen an die «Klagepaten» habe sich Ludwig lukrative Mandate herausgepickt und andere an Kollegen weitergegeben, «die darauf nicht unbedingt grosse Lust haben», sagt jetzt Pankalla. Rat an andere Anwälte im Widerstand gegen Corona-Massnahmen habe Ludwig über eine kostenpflichtige Nummer geben wollen, «das hat doch mit Vernetzen nichts zu tun».

«Es ging immer ums Geld»

Bei einem der ersten Treffen habe Ludwig die versammelten Anwälte nach ihrem Marktwert taxiert: «Es ging ihm immer ums Geld, nicht um die Menschen.» Das sei so weit gegangen, dass Ludwig bei der grossen Demo am 29. August 2020 für die Klagepaten 50’000 Euro erhalten habe, aber eine Rechnung über 2000 Euro für T-Shirts mit dem Brustaufdruck «Klagepaten» an Pankalla habe schicken lassen. Eine Anfrage von t-online auf Twitter beantwortete Ludwig bislang nicht.

Pankalla zu Bodo Schiffmann: Der frühere HNO-Arzt Schiffmann aus Sinsheim hatte zu Beginn der Pandemie kritische, aber eher sachliche Videos gemacht und ist inzwischen vielfach mit frei erfundenen und gelogenen Aussagen aufgefallen. So behauptete er, Kinder seien durch Maskentragen gestorben oder Impfen mache unfruchtbar. Pankalla: «Und jetzt sind Kinder laut Schiffmann gestorben, weil sie Krebs bekommen haben durch die Impfung. Durch so eine Scheisse, durch so eine Fehlinformation, werden wir lächerlich gemacht im Mainstream.»

An Schiffmann gerichtet sagt Pankalla: «Wenn Du auf Telegram die ganze Zeit nur Deine Crowd befeuern willst, um Dein Spendenkonto zu füllen, dann kannst Du das machen, aber das ist kein Widerstand, das ist gar nix.»

Er habe das Gespräch zu Schiffmann gesucht, aber der bezichtige ihn nach einem flapsigen Kommentar lieber der «Gotteslästerung», so Pankalla.

«Er hat was zu verbergen»

Schiffmann beantworte die Fragen zu seinen Spenden nicht. «Und wir wissen, warum er den toten Hund spielt, weil er was zu verbergen hat.» Streit mit Schiffmann war offenbar der letzte Auslöser für Pankallas Wut-Auftritt: Der Arzt hat offenbar einen Mandanten von Pankalla hinter Pankallas Rücken kontaktiert, um ihm vermeintlich bessere Anwälte zu vermitteln.

Mit einer «siebenstelligen Summe» habe sich Schiffmann dann nach Tansania abgesetzt. Pankalla erklärt, er kenne keine genauen Zahlen, aber die Zahl sei realistisch, wenn man sich anschaue, wie viel Geld bei einzelnen Aktionen gespendet worden sei. «Und dann sagt er anderen Leuten, sie sollten in Schweden politisches Asyl beantragen und bräuchten kein Geld.»

Pankalla über Michael Ballweg: Dem «Querdenken»-Gründer Ballweg macht er den Vorwurf, die eigentlichen Ziele aus dem Auge verloren zu haben. «Ihr versucht, eine bestimmte Politik reinzubringen, wo sich dann Linke nicht mehr anschliessen können». Ballweg hatte unter anderem Pläne für eine Verfassungsgebende Versammlung und «Querdenker» zu einem Treffen mit dem von seinen Anhängern ausgerufenen «König von Deutschland» eingeladen. «Natürlich ist das nicht strafbar, aber wo wollt Ihr denn hin? Wollt ihr in die Zukunft oder wollt ihr in die Vergangenheit?»

«Querdenken» sei teilweise zu Unrecht diffamiert worden, «aber das hat man selbst gesetzt und diese Themen reingebracht.» Er als Anwalt stelle das Grundgesetz nicht in Frage.

Transparenzbericht ein Witz

Ballweg habe am Anfang mit seinen Demos thematisch «gute Sachen» reingebracht. «Aber Bühnen waren irgendwann für Ballweg nur noch cashmässig interessant. Ohne Bühnen kein Geld und keine Demos.» Auch ein von Ballweg vorgelegter «Transparenzbericht» sei ein Witz:

«Er hat vorgerechnet, wofür er angeblich eine Million Ausgaben hatte. Er hat aber nicht gesagt, wie viel Einnahmen er erzielt hat – viel mehr.»

Wie sehr es Ballweg ums Geld gegangen sei, habe er bei einem «Querdenken»-Gastspiel in Köln erfahren. «Hier gab es ja keine funktionierende Querdenken-Gruppe, aber Aktive.» Ballweg habe ihnen dann gesagt, sie könnten auch reden – «wenn ihr bezahlt».

Pankalla selbst war auch aufgefallen, weil er an einem Song mit Xavier Naidoo und dem rechtsextremen Kategorie-C-Sänger Hannes Ostendorf mitgewirkt hat. Davon distanziert er sich nicht, sagte er t-online: «Ich war immer Fan von Naidoo, und ich bin gefragt worden, ob ich mitmachen will. Ich wusste nicht, wer da mitmacht, und muss ja nicht einer Meinung sein, um ein gemeinsames Lied aufzunehmen.»

Pankalla sieht sich weiter als Streiter für Menschen, die die Massnahmen kritisch sehen und gegen Benachteiligung Ungeimpfter oder Impfpflicht . «Mit Ballweg, Ludwig und Schiffmann geht es aber nicht weiter.»