Neonazis unter den Impfgegnern. Die Corona-Demonstrantin mit der Kalaschnikow

Der Bund.

Unter die aktiven Massnahmenkritiker hat sich auch eine Reihe Neonazis gemischt. So auch eine Frau aus der Zentralschweiz, die eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung und Vernetzung des Corona-Widerstands spielt.

Es war ein eisiger und nebliger Tag im letzten Februar, als Saskia Klemm (Name geändert) dieser Zeitung erstmals auffiel. Die ursprünglich aus Ostdeutschland stammende 32-Jährige stand vor dem Bahnhof in Zug und trug einen weissen Ganzkörperanzug des massnahmenkritischen Vereins «Stiller Protest».

Um ihren Hals hatte sie sich ein Schild mit der Aufschrift «Moderne Sklaven tragen Masken» gehängt. Es war das erste Mal, dass die Massnahmengegner an einer Demonstration in der Schweiz mehr als 1000 Teilnehmer mobilisieren konnten.

Wichtige Rolle in der Szene

Seither hat diese Zeitung die Luzernerin immer wieder an Corona-Kundgebungen angetroffen. Häufig befand sie sich dabei in Begleitung von Neonazis der Gruppen Eisern Luzern oder Junge Tat. An einer Manifestation in Bern fotografierte Klemm ein Grüppchen selbst ernannter Antifaschisten, die versuchten, eine Gegendemonstration auf die Beine zu stellen. Bilder wie jene, die die Rechtsradikale dabei schoss, erschienen kurze Zeit später auf einem Instagram-Profil, das «Antifanten», Schimpfwort für Antifaschisten, anprangert und deren Namen veröffentlicht.

Als Saskia Klemm einen missliebigen Journalisten an einer Demo erkannte, dauerte es nicht lange, bis dessen Foto auf Instagram hochgeladen wurde, mit dem «wichtigen Aufruf», dass der Mann negativ über die Corona-Demonstranten berichten wolle und deshalb zu isolieren sei.

Die Frau, die auf einem abgelegenen Bauernhof im Kanton Luzern lebt, betreibt auf dem Messenger-Dienst Telegram einen Kanal, auf dem Demonstrationen der Impfgegner mitsamt Besammlungsorten und anderen Hinweisen angekündigt werden. Zu seinen besten Zeiten, also noch vor dem klaren Ja zum Covid-Gesetz am 28. November, hatte dieser Kanal mehr als 4400 Abonnenten. Saskia Klemm ist in der Szene bestens bekannt und vernetzt, doch wissen nur die wenigsten von ihrem rechtsradikalen Hintergrund.

Im Sommer nahm sie an den beiden grössten schweizerischen Neonazi-Veranstaltungen dieses Jahres teil, dem Aufmarsch der Nationalen Aktionsfront zum Gedenken der Schlacht von Sempach und dem alljährlichen Seilziehen von Eisern Luzern. Der Seilziehwettbewerb, ein Stelldichein deutsch- und französischsprachiger Rechtsradikaler aus dem In- und Ausland, wurde von einem Neonazi aus Altdorf UR auf dem russischen Facebook vk.com angekündigt und beworben. In den letzten Wochen nahm die Frau – manchmal zusammen mit den Helvetia-Trychlern – auch an Corona-Demos in Österreich teil. Anders als in der Schweiz bilden Neonazis dort oft die Spitze der Umzüge.

«Wahre Bräune kommt von innen»

Besonders aktiv ist Saskia Klemm in den sozialen Medien. Dort bezeichnet sie den Bundesrat wegen seiner Corona-Massnahmen auch mal als «Dreckspack». In einem anderen Beitrag schreibt sie, es sei Zeit, die Macht im Land wieder zu übernehmen, es sei Zeit für eine Revolution. Sollten die Proteste beziehungsweise die Reaktionen der Behörden nicht friedlich bleiben, hofft sie auf Unterstützung durch gewalttätige Hooligans. Dazu schreibt sie, dass ein paar Tausend von diesen Jungs in so einem Fall hilfreich wären. Ein anderes Mal lädt sie ein (gefälschtes) Bild aus dem Walt-Disney-Streifen «101 Dalmatiner» hoch, auf dem ein Hund mit einem Hakenkreuz zu sehen ist. Oder den Satz: «Wahre Bräune kommt von innen.»

Auf Fotos posiert Saskia Klemm nur wenige Schritte von ihrem Haus entfernt einmal mit einer Kalaschnikow und dann mit einer Pump-Action-Schrotflinte in der einen und einer halbautomatischen Pistole in der anderen Hand. Damit konfrontiert, verweigert die Frau jeglichen Kommentar.

Klemm ist jetzt Schweizer Bürgerin

Klemms Ehemann war im ostdeutschen Sachsen ein nicht ganz unbekannter Neonazi, Mitglied des berüchtigten Motorradclubs Gremium MC. Dessen sächsischen Ableger verbot das deutsche Innenministerium 2013. Rund ein Jahr zuvor hatte der Rechtsradikale in der Innerschweiz ein Tattoostudio eröffnet. Er lebt seither in der Schweiz. Saskia Klemm wurde inzwischen eingebürgert. Am 9. November 2020 erteilte ihr das Luzerner Justiz- und Sicherheitsdepartement das Kantonsbürgerrecht. Laut Unterlagen von Klemms Wohngemeinde wird eine Einbürgerung nur bewilligt, wenn die gesuchstellende Person die Werte der Bundesverfassung respektiert und wenn sie keine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz darstellt.