«Reichlich abwegig», dass er sich selber die Stange ins Gesicht schlug

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Bei einer unbewilligten Gegendemonstration gegen Rechtsradikale im November 2018 in Basel wurde ein 36-Jähriger am Auge verletzt. Die Staatsanwaltschaft verteidigt den Einsatz von Gummischrot. Das Gericht verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen.

Von Gummischrot getroffen und verurteilt

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«Reichlich abwegig», dass er sich selber die Stange ins Gesicht schlug

Bei einer unbewilligten Gegendemonstration gegen Rechtsradikale im November 2018 in Basel wurde ein 36-Jähriger am Auge verletzt. Die Staatsanwaltschaft verteidigt den Einsatz von Gummischrot. Das Gericht verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen.

Oliver Braams

Der Demonstrant wurde am Montag vom Basler Strafgericht zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt.Steve Last

An einer Gegendemonstration gegen eine bewilligte Kundgebung der rechtsextremen Pnos fanden sich auf dem Basler Messeplatz auch Linksextreme ein, die die Konfrontation mit den Rechtsextremen und der Polizei suchten.Steve Last

Der Angeklagte habe laut Staatsanwaltschaft im Verbund eine Gruppe von vermeintlichen Pnos-Anhängern angegriffen. Im weiteren Verlauf der Gegendemonstration kam es zum Einsatz von Gummischrot durch die Polizei, wobei der Mann an einem Auge verletzt worden sein soll.Steve Last

Darum gehts

Das Strafgericht Basel-Stadt hat am Montag einen Teilnehmenden der Gegendemonstation gegen Rechtsextreme vom November 2018 zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.

Der 36-Jährige sagte, er wurde beim Einsatz von Gummischrot durch die Polizei am Auge verletzt.

Laut Staatsanwaltschaft reicht die Anwesenheit aus, um passiv Gewalt an Beamten zu begehen.

Die Polizei soll die Demonstrierenden vor dem Einsatz von Gummischrot gewarnt haben.

Die Verteidigung widerspricht. Vielmehr sei der Einsatz ein Ablenkungsmanöver gewesen.

Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte am Montag einen 36-jährigen Schweizer zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen . Er war am 24. November 2018 aus Zürich nach Basel gereist, um an einer Gegendemonstration gegen eine bewilligte Kundgebung der rechtsextremen Pnos teilzunehmen. Auf dem Basler Messeplatz waren auch Linksextreme zugegen, die die Konfrontation mit den Rechtsextremen und der Polizei suchten.

Laut der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hielt sich der Beschuldigte an vorderster Front mit den aggressiven Demonstrations-Teilnehmenden auf. Ferner habe der Mann im Verbund eine Gruppe von vermeintlichen Pnos-Anhängern angegriffen. Im weiteren Verlauf der Gegendemonstration kam es zum Einsatz von Gummischrot durch die Polizei, wobei der Mann an einem Auge verletzt wurde. Angeklagt wurde der 36-jährige Schweizer unter anderem des Landfriedensbruchs, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und Nötigung.

Beschuldigter hat Bewusstsein verloren

«Es war quasi der erste Schuss, der mich getroffen hat», sagte der Beschuldigte zu Gerichtspräsident Roland Strauss. «Die Polizei hat zwar ihre Linie verschoben. Aber zu Gewalt kam es bis dahin nicht.» Auch habe er keine Warnhinweise der Polizei wahrgenommen, dass geschossen werde. Nachdem der Beschuldigte am Auge getroffen worden war – von einem unbekannten Gegenstand, wie die Staatsanwaltschaft argumentierte – verlor er das Bewusstsein und musste ins Spital gebracht werden.

Diese Unmittelbarkeit der Schussabgabe durch die Polizei bekräftigt auch die als Zeugin geladene SP-Politikerin Toya Krummenacher, die dem Verletzten erste Hilfe geleistet hatte: «In dieser Phase der Demonstration war die Stimmung eigentlich noch eher ruhig», sagte sie. Durchsagen der Polizei habe sie keine gehört. «Plötzlich hat es geknallt», sagte sie.

Anwesenheit heisst Gewalt gut

Die Staatsanwaltschaft belegte mittels Videobeweis, dass sich der Beschuldigte stets im oder unmittelbar beim schwarzen Block aufhielt. Der Angeklagte habe sich mit seiner Anwesenheit passiv am Gewaltausbruch beteiligt. Der Staatsanwalt folgte damit dem Argumentationsmuster, das in den bereits durchgeführten Verfahren gegen andere Beteiligte der Gegendemonstration verfolgt wurde. Die Staatsanwaltschaft forderte für den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten bedingt.

Für Verteidigerin Eva Weber fehlte aber bis zum Zeitpunkt, als die Polizei mit Gummischrot in die Menge schoss, der kollektive Wille, Beamten Gewalt anzutun. «Der Einsatz von Gummischrot war ein Ablenkungsmanöver, damit die Pnos ihre Versammlung unbehelligt auflösen konnte», sagte sie. «Erst dann ist es eskaliert.» Und da habe ihr Mandant bereits bewusstlos am Boden gelegen. Die Anwältin forderte Freispruch in allen Punkten.

Richter glaubt an Treffer durch Gummischrot

Die These der Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte sei gar nicht von Gummischrot getroffen worden, sondern habe sich die Verletzungen bei einer Schlägerei zugezogen oder gar selber mit der Fahne zugefügt, taxierte der Richter als «reichlich abwegig». Er geht davon aus, dass der Mann tatsächlich vom Gummischrot der Polizei verletzt wurde. Das ändere aber nichts an seiner Teilnahme an der Demonstration.

Somit folgte das Gericht der Staatsanwaltschaft und sprach den Beschuldigten in allen Punkten schuldig. Das Strafmass fiel mit einer bedingten Geldstrafe jedoch deutlich milder aus, als die von der Anklage geforderte bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten.