Abrechnung unter Rechtsextremen?

Neue Zürcher Zeitung: Verwahrung für den Schützen der Schiesserei vom Mai 2012 im Niederdorf gefordert

Die Staatsanwältin fordert die Verwahrung für einen Mann, der im Mai 2012 im Niederdorf auf einen Kontrahenten schoss und der der rechtsextremen Szene zugeordnet wird. Der Verteidiger sieht Notwehr und beantragte nur 3 Jahre.

Am 5. Mai 2012 schoss ein heute knapp 27-jähriger Schweizer im Niederdorf auf einen Bekannten, mit dem er zuvor zusammen in einer Bar Alkohol getrunken hatte. Das Opfer überlebte mit einem Lungendurchschuss. Opfer und Täter werden der Neonaziszene zugerechnet.

Der Schütze steht am Mittwoch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung vor Bezirksgericht Zürich. Es ist allerdings umstritten, ob es sich bei der Schussabgabe tatsächlich um eine Abrechnung im Rechtsextremen-Milieu gehandelt hat, wie die Medien seit der Tat immer wieder berichtet hatten. Vor Gericht machte der Täter Notwehr geltend und erklärte, schon seit Jahren kein Neonazi mehr zu sein.

Schüsse aus direkter Nähe

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, an jenem Morgen gegen 2 Uhr 10 vor der Double-U-Bar nach einem Streit seine durchgeladene Kleinkaliberpistole aus dem Hosenbund gezogen, die Waffe entsichert und sofort in Richtung des Kontrahenten geschossen zu haben. Dieser sei nur 60 bis 80 Zentimeter von ihm entfernt gestanden. Der Täter ergriff die Flucht. Am Abend des nächsten Tages bestieg er einen Zug nach Hamburg, wo er mit der Tatwaffe im Rucksack verhaftet wurde.

Vor Gericht beteuerte der Beschuldigte, schon 2007 aus der Rechtsextremen-Szene ausgestiegen zu sein. Er habe den Bekannten aus jener Zeit an jenem Abend im Niederdorf zufällig getroffen. Der andere sei aggressiv gewesen und schon in der Bar ausfällig gegen ihn geworden, nachdem er ihn auf seine Ex-Freundin angesprochen habe. Der andere habe dann draussen vor der Bar eine Flasche nach ihm geworfen und sei auf ihn losgegangen. Da habe er selber Angst bekommen und «im Schock» geschossen, um sich zu schützen. Sein Verteidiger beantragte eine dreijährige Freiheitsstrafe wegen eventualvorsätzlicher schwerer Körperverletzung mit einer vollzugsbegleitenden ambulanten Massnahme.

Sechs Vorstrafen

Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und die Anordnung der Verwahrung. Der Mann war schon insgesamt sechsmal vorbestraft und bereits für mehr als 40 Straftaten verurteilt worden, unter anderem wegen Körperverletzung, Raufhandels und Rassendiskriminierung. Gemäss den Ausführungen der Staatsanwältin hatten alle befragten unabhängigen Zeugen übereinstimmend erklärt, in der Bar habe es noch keinen Streit gegeben. Sie beschrieben den Schützen als extrem gewalttätig. Er habe den Konflikt gesucht und aus Wut und Rache auf seinen Kontrahenten geschossen. Aufgrund von SMS, die der Beschuldigte nach der Tat verschickt hatte, wird spekuliert, dass er sich mit der Tat beim Kontrahenten rächen wollte, weil sich dieser von der Rechtsextremen-Gruppierung abgewandt hatte.

Der Geschädigtenvertreter sah in seinem Plädoyer sogar alle Merkmale des Mordtatbestands erfüllt. Es sei darum gegangen, dass der Beschuldigte jemanden, den er als Verräter sah, habe eliminieren wollen. Er verlangte eine Genugtuung von 45 000 Franken für seinen Mandanten.

Das Urteil wird am Mittwochabend erwartet.