«Friedliche» Neonazis? Nachdenken über Sempach 2008

Pressemitteilung der Antifa Bern vom 03.07.2008.

Am 28. Juni 2008 marschierten an einer Schlachtgedenkfeier gut 200 Neonazis gemeinsam mit der Lokalbevölkerung und regionaler Politprominenz durch die Gassen des kleinen Innerschweizer Städtchens Sempach (LU). Unter den Neonazis waren etliche bekannte Gesichter: Exponentinnen und Exponenten von Gruppierungen wie Blood & Honour, PNOS, Hammerskins, Nationale Offensive, Kameradschaft Innerschweiz, Helvetische Jugend.

Aufmarschiert war derjenige Personenkreis, der ganz klar dem rechtsextremen und neonazistischen Lager zugeordnet werden kann. Personen, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennen, die an internationale Neonazitreffen reisen und die teilweise bereits wegen rassistisch motivierten Gewalttaten oder Delikten gegen die Antirassismus-Strafnorm belangt worden sind.

Deshalb könnte es erstaunen, dass die Polizei nur Gutes über diese «Festbesucher» zu berichten wusste. So wurde von der Polizei wohlwollend festgehalten, dass die Rechtsextremen keine Fahnen der PNOS mitgeführt hätten, sondern nur Kantonsfahnen trugen (Meldung Associated Press, 28. Juni 2008). Dabei fehlt es den Ordnungshütern offensichtlich an Kenntnissen über die rassistische und neonazistischer Symbolik. Etliche NS-Symbole wie etwa SS-Totenköpfe, Odal-Runen, Sig-Runen (der SS), Wolfsangel und «Adolf Hitler»- bzw «Heil Hitler»-Sprüche (codiert als 88) prangten auf T-Shirts, Gürtelschnallen und Baseball-Caps.

Einige der Rechtsextremen waren auch gleich mit ihrem Gruppennamen angeschrieben: Deutlich identifizierbar sind Furor Helvetica, Kameradschaft Innerschweiz, Blood & Honour, Nationale Offensive und natürlich auch PNOS. Spätestens beim Spruch «Friedrich Laibacher Nationalheld/Warum hast du nicht in Bern gewohnt?» sollte dem Letzten aufgefallen sein, dass diese Leute kein demokratisches Gesellschaftsverständnis vertreten. Gemeinsam mit Neonazis zu marschieren, die SS-Totenköpfe an ihren Gürtelschnallen und «Heil Hitler» auf dem Baseball-Cap tragen, ist angesichts der NS-Gräueltaten ein Hohn.

Trotzdem scheinen sich Organisatoren, Polizei und Medienschaffende im Nachfeld des Anlasses darin einig zu sein, dass die Ereignisse in Sempach weder der Kritik noch der minimalen Selbstreflexion bedürften. Der Grund: Der Anlass verlief «friedlich». Solcher «Friede» lässt erschaudern. Er ist Ausdruck von Feigheit oder schweigender Zustimmung und entspricht dem Gegenteil einer humanistischen und couragierten Zivilgesellschaft. Wer sich von Rechtsextremen nicht grundsätzlich gestört fühlt, wer sich von ihnen nicht distanzieren will, der stimmt ihnen zu.

Dass eine solche Abgrenzung gerade denjenigen schwerfällt, die längst vergangene Schlachtsiege feiern und Sagengestalten huldigen, kann nicht gross erstaunen. Winkelried ist eine Erfindung von Chronisten des Spätmittelalters. Dieser historischen Erkenntnis zum Trotz bedient man sich gerade in heutiger Zeit wieder solcher Mythen. Bürgerlich-Konservative, Liberale und Rechtsextreme – Schulter an Schulter. Sei es zur Fütterung der Tourismusindustrie oder zur Nährung von nationalistischen Dogmen.