Neue Parteien bleiben meist am Boden kleben

Limmattaler Zeitung  07.08.2012; Seite 19

Politische Bewegungen · Sie treten an, um den Politbetrieb aufzumischen – doch dann sterben oder dümpeln sie

michael Rüegg

Gleich zwei neue Parteien konnten die letzten Tage ins Rampenlicht drängen. Eine will Party machen, die andere den Islam und die EU bekämpfen und die Schönheit der Eidgenossenschaft retten. Eine hat bereits über 2500 Mitglieder und keine Sektionen, die andere etwa drei Dutzend Anhänger – dafür vier Kantonalsektionen, behauptet sie zumindest. Ein Blick zurück zeigt: Neue Parteien sind so alt wie der Bundesstaat.

Die «Party Partei» ist derzeit rein virtuell unterwegs. Anders lässt sich nicht erklären, dass sie fast 2700 Mitglieder hat. Auch der Schreibende war für kurze Zeit Zwangsmitglied. Denn die Party Partei kann, was alle anderen nicht können, nämlich ahnungslose Facebook-Benutzer automatisch zu Mitgliedern machen. Man darf davon ausgehen, dass sie nie zu einer Wahl antreten wird, weshalb sich Vermutungen über künftige politische Erfolge erübrigen. Sie ist ein Facebook-Phänomen und kämpft dort für «Saufkraft & Kaufkraft».

Die «Direktdemokratische Partei» will eine neue Rechtspartei sein. In Wirklichkeit ist sie ein Konglomerat von heimatverliebten Irrlichtern: Eine Mischung von jüngeren Männern aus dem rechtsextremen Umfeld und Frauen in fortgeschrittenem Alter, die wenig Wert auf ihr Äusseres legen. Interessanterweise reisst die Berichterstattung über die «DPS» nicht ab. Bereits vor der offiziellen Gründung Ende Juli gab der 27-jährige «Präsident» Interviews, genauso wie während und nach der Gründung. Es wurde spekuliert, ob der St. Galler aus dem rechtsextremen Umfeld der SVP gefährlich werden könnte. Bisher blieb es bei Ankündigungen. Auch derjenigen, es solle eine Zürcher Sektion geben. Interessanterweise will die DPS mit der Österreichischen FPÖ eng zusammenarbeiten, ausgerechnet derjenigen Partei, die derzeit in kurzen Abständen von einem Korruptionsskandal in den nächsten schlittert.

Die «Humanistische Partei» blickt auf eine fast dreissigjährige Geschichte zurück. Das ist aber schon alles, worauf sie zurückblickt. Bei Parlamentswahlen erreichte sie nie mehr als 0,2 Prozent. Etwas erfolgreicher war sie zumindest zu Beginn, als sie das Stimmrechtsalter 18 lancierte. Ansonsten markierte, demonstrierte und publizierte die Partei dann und wann. Ihre Anliegen reichten von mehrheitsfähig bis hin zu exotisch: So wollte sie 1999 erreichen, dass die städtische Stimmbevölkerung über die Schliessung von Schwimmbädern entscheiden darf.

Die «Partei für Zürich» schrieb ein kurzes Kapitel Zürcher Stadtgeschichte. Zwei SVP-Gemeinderatsmitglieder spalteten sich 2006 von ihrer Partei ab und gründeten die «PFZ». Ihr grösster Erfolg war, einen städtischen Beitrag an den Club of Rome zu verhindern. 2010 kandidierte PFZ-Frau Susi Gut gegen Corine Mauch fürs Stadtpräsidium und sorgte damit immerhin für einen minimalen Unterhaltungswert im Wahlkampf. Die Kleinpartei schaffte trotz intensiver Medienberichterstattung nicht einmal 0,5 Prozent bei den Wahlen, worauf Susi Gut etwas frustriert in den Aargau abwanderte. Das Kapitel PFZ war zu Ende, ein Internet-Unternehmen versucht seither, den Domainnamen www.pfz.ch an den Meistbietenden zu versteigern.

Vergangenes Jahr wurde die Gründung der «sozial-liberalen Bewegung» vermeldet. Laut Website ist sie sozial, liberal und sorgt für Bewegung. Passiert ist jedoch nichts. Im Kanton Zürich hat sie keinen einzigen Amtsträger zu verzeichnen. Unter «Sektionen» schreibt sie: «Die sozial-liberale Bewegung ist noch jung und zeigt schon jetzt ein starkes Wachstum.» In anderen Kantonen ist sie ein bisschen erfolgreicher, zum Beispiel im Aargau, wo sie zwei Grossratsmandate hat, unter anderem einen ehemaligen EDU-Pfarrer, der zu ihren Gründern gehört. Im Kanton Bern führt sie Ricardo Lumengo als Amtsträger – den vergangenen Herbst abgewählten Nationalrat, der aus der SP austreten musste.

Etwas länger her ists in Zürich mit den «Liberalen». In den Neunzigerjahren probierte die in der Westschweiz und in Basel-Stadt präsente Partei im Kanton Zürich Fuss zu fassen. Bei den Nationalratswahlen 1995 trat sie an, unter anderem mit einer ehemaligen Tagesschausprecherin, wurde aber mit bloss 0,5 Prozent fulminant nicht gewählt. 1999 probierte sie es auch im Kantonsrat, wo sie auf 0,3 Prozent kam. Zwischen FDP und SVP gab es damals keinen Platz im Kanton Zürich. Nach der Fusion der Liberalen mit der FDP war die Partei auch andernorts Geschichte, an sie erinnern bloss die Worte im FDP-Logo «Die Liberalen».

Doch selbst die bekannteste und bestorganisierte unter den Neo-Parteien, die «Piratenpartei», hat es hierzulande schwer. Während sie mit wehender Piratenflagge in den Berliner Landtag einzog und die Welt mit Begriffen wie «Liquid Democracy» faszinierte, brachte sie es bei den Zürcher Kantonsratswahlen auf gerade mal 0,56 Prozent. Am meisten Piratenwähler leben in den Zürcher Stadtkreisen 4 und 5, doch selbst dort sind sie mit 2,4 Prozent meilenweit vom 5-Prozent-Quorum entfernt. Bei den Nationalratswahlen 2011 waren es 0,86 Prozent. Unter drei Prozent läuft aber dort gar nichts. Chancen hat sie, wenn sie weiter konkrete Ideen bringt.